http://www.trend.infopartisan.net/trd1004/t151004.html Abstrakte Arbeit und Wert im Marxschen System (1) von I. I. Rubin | 10/04 trend onlinezeitung |
I. Genossen, ich habe als Thema meines Vertrages die abstrakte Arbeit und den Wert aus folgenden zwei Gründen gewählt: Erstens ist, soviel ich weiß, in Euren Seminaren heftig über die Frage der abstrakten Arbeit, über die Form und den Inhalt des Wertes diskutiert worden. Deshalb beschloß ich auch meinen Vortrag so zu gliedern, daß ich eingehender das Problem der abstrakten Arbeit behandeln, aber gleichzeitig auch die Frage des Wertes, seine Form und seinen Inhalt erfassen werde. Der zweite Grund, der mich dazu veranlaßte, dieses Thema zu wählen, ist der, daß dies das Hauptproblem der ganzen Marxschen Theorie ist. Nennen wir doch nicht umsonst diese Theorie die Arbeitswerttheorie. Schon die Bezeichnung allein zeigt, daß das Hauptproblem dieser Theorie die Frage über den wechselseitigen Zusammenhang zwischen Arbeit und Wert ist. Was ist die Arbeit, die den Wert erzeugt oder bestimmt, und was ist der Wert, der durch die Arbeit erzeugt oder bestimmt wird? Das ist das Hauptproblem der Marxschen Theorie, das ich in meinem Vortrag beleuchten will. Ehe wir zum Wesentlichen der Frage übergehen, möchte ich einige methodologische Bemerkungen machen. Mit welcher Methode wollen wir an die Lösung dieses Problems herangehen? Marx bemerkte in seiner "Einleitung zu einer Kritik der Politischen Ökonomie" (l a), daß man eine ökonomische Untersuchung nach zwei Methoden durchführen kann: nach der Methode des Überganges vom Konkreten zum Abstrakten und nach der umgekehrten Methode der Bewegung vom Abstrakten zum Konkreten. Die erste, die analytische Methode, besteht darin, daß wir als Ausgangspunkt der Untersuchung eine komplizierte konkrete Erscheinung hernehmen, und indem wir die Vielzahl ihrer Merkmale beiseite lassen, nur ein einzelnes oder einige ihrer wichtigsten Merkmale auswählen, und so vom konkreteren Begriff zum abstrakteren übergehen, zum ärmeren, zum dürftigeren, wie Marx sagt. Mittels einer weiteren Analyse gehen wir von diesem Begriff zu einem noch ärmeren über, solange bis wir die abstraktesten Begriffe in der bestimmten Wissenschaft oder eines bestimmten Fragenkomplexes, der uns interessiert, erreicht haben. Um nur ein Beispiel zur Illustration jenes Fragenkomplexes anzuführen, mit dem wir es immer zu tun haben, möchte ich euch an jenen wechselseitigen Zusammenhang der folgenden Begriffe erinnern. Die Marxsche Werttheorie baut auf folgende Begriffe auf: die abstrakte Arbeit, der Wert, der Tauschwert und das Geld. Wenn wir den kompliziertesten und den konkretesten Aspekt dieser Begriffe hernehmen, das Geld, und vermittels der Untersuchung des Begriffes Geld dann zum Tauschwert übergehen, als zu dem allgemeineren Begriff, der dem Geld zugrundeliegt; wenn wir dann vom Tauschwert zum Wert übergehen, und vom Wert zur abstrakten Arbeit, so bewegen wir uns vom konkreteren zum abstrakteren Begriff, d.h. wir verfahren nach der analytischen Methode. Aber, sagt Marx, die analytische Methode, bei aller Notwendigkeit ihrer Anwendung im ersten Stadium der wissenschaftlichen Untersuchung, kann uns als solche nicht befriedigen. und muß durch eine andere Methode ergänzt werden. Nachdem wir mit Hilfe der Analyse die komplizierte Erscheinung auf ihre grundlegenden Bestandteile zurückgeführt haben. müssen wir jetzt den umgekehrten Weg gehen und ausgehend von den abstraktesten Begriffen zeigen, wie diese uns durch ihre Entwicklung zu konkreteren Formen, zu konkreteren Begriffen führen. Dieser Weg einer Vorwärtsbewegung des Gedankens von dürftigeren Begriffen zu volleren und komplizierteren wäre in unserem Fall die Bewegung von der abstrakten Arbeit zum Wert, vom Wert zum Tauschwert und vom Tauschwert zum Geld. Diese Methode nennt Marx an einer Stelle die genetische, weil wir mit Hilfe dieser Methode die Genesis und Entwicklung von komplizierteren Formen verfolgen. An anderer Stelle nennt er seine Methode die dialektische. Auch wir wollen uns darauf einigen, die erste Methode als analytische zu bezeichnen, die zweite aber (die sowohl die analytische wie auch die synthetische Methode in sich einschließt) als dialektische. Marx weist darauf hin, daß er die dialektische für die einzige Methode hält, die wissenschaftliche Fragen befriedigend löst. In Übereinstimmung damit müssen wir das für uns interessante Problem, die Frage über den Zusammenhang zwischen Arbeit und Wert, nicht nur mit Hilfe der analytischen Methode einer Untersuchung unterziehen, sondern auch mit Hilfe der dialektischen. Marx zeigt uns anhand von vielen Beispielen, inwiefern die analytische Methode unzureichend ist. Ich möchte hier drei Beispiele anführen. Was die Werttheorie betrifft, so sagt Marx: "Die politische Ökonomie hat nun zwar, wenn auch unvollkommen Wert und Wertgröße analysiert und den in diesen Formen versteckten Inhalt entdeckt. Sie hat niemals auch nur die Frage gestellt, warum dieser Inhalt jene Form annimmt, warum sich also die Arbeit im Wert und das Maß der Arbeit durch ihre Zeitdauer in der Wertgröße des Arbeitsprodukts darstellt?" (2) An anderer Stelle, die der Geldtheorie gewidmet ist, sagt Marx: "Wenn es schon in den letzten Dezennien des 17. Jahrhunderts weit überschrittener Anfang der Geldanalyse, zu wissen, daß Geld Ware ist, so aber auch nur der Anfang. Die Schwierigkeit liegt nicht darin zu begreifen, daß Geld Ware. sondern wie, warum, wodurch Ware Geld ist." (3) Hier, wie wir sehen, unterscheidet sich die dialektische Methode wieder von der analytischen. Und schließlich, wiederholt Marx an noch einer anderen Stelle, wo er über die Religion spricht, den von ihm ausgesprochenen Gedanken, daß es natürlich viel leichter ist vermittels Analyse den Kern der seltsamen religiösen Vorstellungen zu finden, als umgekehrt aus den gegebenen Verhältnissen des wirklichen Lebens die ihnen entsprechenden religiösen Formen zu entwickeln. Die letztere Methode ist die einzig materialistische und folglich auch die einzig wissenschaftliche. (4) Entsprechend diesen Hinweisen von Marx müssen wir unser Problem folgendermaßen lösen. Unsere Aufgabe besteht nicht nur darin, zu zeigen, daß der Wert eines Produktes auf die Arbeit zurückgeführt werden kann. Wir müssen auch den umgekehrten Aspekt zeigen. Wir müssen aufdecken, wie die Arbeitsverhältnisse der Menschen ihren Ausdruck im Wert finden. Eben dies ist die grundlegende Problemstellung, die in methodologischer Hinsicht vom Marxschen Standpunkt aus als die korrekteste zu betrachten ist. Wenn wir die Frage so stellen, nehmen wir als Ausgangspunkt der Untersuchung den Begriff der Arbeit und nicht den Begriff des Wertes. Wir bestimmen den Begriff der Arbeit so, daß aus ihm auch der Begriff des Wertes hervorgeht. Diese methodologische Forderung gibt uns schon einige Hinweise bezüglich der richtigen Definition des Begriffes der Arbeit. Der Arbeitsbegriff muß von uns so bestimmt werden, daß in ihm schon alle Merkmale der sozialen Organisation der Arbeit enthalten sind, Merkmale, aus denen die Form des Wertes hervorgeht, die den Arbeitsprodukten zueigen ist. Ein Arbeitsbegriff, aus dem der Wertbegriff nicht hervorgeht, und insbesondere ein Arbeitsbegriff im physiologischen Sinn, d.h. der Begriff der Arbeit, der aller Merkmale entbehrt, die für ihre soziale Organisation in einer Warenproduktion charakteristisch sind, kann nicht zu jenem Schluß führen, der uns vom Marxschen Standpunkt der dialektischen Methode aus vorschwebt. Im weiteren werde ich mich bemühen, zu zeigen, daß die Differenz in der Auffassung zwischen dem soziologischen und dem physiologischen Verständnis von der abstrakten Arbeit teilweise auf eben den Unterschied zwischen diesen beiden Methoden, der dialektischen und der analytischen, zurückgeführt werden kann. Wenn sich vom Standpunkt der analytischen Methode noch mit mehr oder weniger Erfolg die physiologische Auffassung der abstrakten Arbeit behaupten kann, so ist sie vom Standpunkt der dialektischen von vornherein zum Scheitern verurteilt, da man aus dem Arbeitsbegriff im physiologischen Sinn keinerlei Vorstellung vom Wert als der notwendigen sozialen Form des Arbeitsprodukte erhalten kann. Und so müssen wir die Arbeit so bestimmen, daß aus ihr, aus der Arbeit und ihrer sozialen Organisation, für uns die ganze Notwendigkeit des Wertes verständlich wird, des Wertes als grundlegender sozialer Form, die die Arbeitsprodukte in einer Warenproduktion annehmen; und daß uns weiter auch die Bewegungsgesetze des Wertes verständlich werden. Wenn wir nun zur Analyse der Arbeit übergehen, werden wir vor allem mit dem einfachsten Begriff anfangen, mit dem Begriff der konkreten oder nützlichen Arbeit. Die konkrete Arbeit wird von Marx als Arbeit in ihrer nützlichen Tätigkeit angesehen, als Arbeit, die Produkte erzeugt, die zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse notwendig sind. Arbeit, die von dieser materiell technischen Seite betrachtet wird, stellt die konkrete Arbeit dar. Es ist selbstverständlich, daß uns die konkrete Arbeit nicht im geringsten interessiert, solange man von einem Einzelindividuum spricht, von Robinson, der der Natur widersteht, da der Gegenstand unserer Wissenschaft nicht die Produktion eines Einzelindividuums ist, sondern die gesellschaftliche Produktion, die Produktion einer ganzen Personengruppe, die auf der Grundlage einer bestimmten gesellschaftlichen Teilung der Arbeit organisiert ist. Das System der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit ist die Gesamtheit der verschiedenen konkreten Arbeitsarten, die in einem bestimmten System vereint sind und materiell einander ergänzen. Und so sind wir von der konkreten Arbeit überhaupt zum System der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit, als Gesamtheit der verschiedenen konkreten Arbeitsarten, übergegangen. Wir müssen auf den Begriff der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit etwas näher eingehen, da er eine Hauptrolle für das Verständnis der ganzen Marxschen Werttheorie spielt. Marx sagt, daß das System der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit in zweifacher Form - wie er es nennt - auftreten kann, als System, das durch den Austausch vermittelt wird, und als System, das einer solchen Vermittlung nicht bedarf, z.B. die Naturalwirtschaft einer großen Sippe, einer sozialistischen Gemeinschaft usw. Wir wollen uns zuerst das System der organisierten gesellschaftlichen Teilung der Arbeit näher ansehen, das sich ohne Hilfe des Austauschs gebildet hat. Solange man vom organisierten System, der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit spricht, haben wir nicht nur konkrete, materiell technische Arbeit vor uns, sondern auch schon gesellschaftliche Arbeit. Bei Marx ist der Begriff der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit an der Grenze zwischen dem Begriff der konkreten nützlichen und der gesellschaftlichen Arbeit in einer gesellschaftlichen Produktion. Einerseits untersucht Marx ganz am Anfang des Abschnitts über den Doppelcharakter der Arbeit (5) die gesellschaftliche Teilung der Arbeit als Gesamtheit der konkreten Arbeitsarten. An anderer Stelle in seinem Buch, insbesondere im Kapitel über die Manufaktur (6) untersucht er das System der gesellschaftlichen Arbeitsteilung vom Standpunkt der menschlichen Produktionsverhältnisse aus, die dieses System charakterisieren. In einer organisierten Produktion sind die Verhältnisse der Menschen relativ einfach und durchsichtig. Die Arbeit erhält eine unmittelbar gesellschaftliche Form, d.h. es existiert eine bestimmte gesellschaftliche Organisation und bestimmte gesellschaftliche Organe, die die Arbeit zwischen den einzelnen Mitgliedern der Gesellschaft aufteilen, wobei die Arbeit jeder Person unmittelbar in die gesellschaftliche Produktion eingeht als konkrete Arbeit mit allen ihren konkreten materiellen Charakteristiken. Die Arbeit jeder Person ist eben deshalb eine gesellschaftliche, weil sie sich von der Arbeit der anderen Mitglieder der Gesellschaft unterscheidet und eine materielle Ergänzung zu ihnen darstellt. Die Arbeit in ihrer konkreten Form ist eine unmittelbar gesellschaftliche. Gleichzeitig damit ist sie auch eine geteilte. Denn die gesellschaftliche Organisation der Arbeit besteht ja darin, daß die Arbeit zwischen den einzelnen Mitgliedern der Gesellschaft aufgeteilt wird, und daß umgekehrt die Teilung der Arbeit ein Akt irgendeines gesellschaftlichen Organs ist. Die Arbeit ist gleichzeitig gesellschaftliche und geteilte, wobei sie diese Merkmale auch in ihrer materiell technischen, konkreten oder nützlichen Form besitzt. Stellen wir uns nun folgende Frage: Ist die Arbeit in einer organisierten Gemeinschaft auch eine sozial gleichgesetzte? Finden wir in einer solchen Gemeinschaft einen sozialen Prozeß, den man als sozialen Gleichsetzungsprozeß der Arbeit bezeichnen könnte? Was dieses Problem betrifft, so gibt es verschiedene Ansichten. Einige Ökonomen behaupten, daß in jeder beliebigen Produktionsgemeinschaft, die auf Arbeitsteilung beruht, schon immer eine solche soziale Gleichsetzung der Arbeit existierte. Eben in jener Form, die sich ihrem Wesen nach von der Gleichsetzung der Arbeit in einer Warenproduktion nicht unterscheidet. Gegenteiliger Ansicht sind einige Ökonomen, die sagen, daß der Prozeß der sozialen Gleichsetzung der Arbeit ein Prozeß ist, der nur einer Warenproduktion zueigen ist und in keiner anderen Produktionsform stattfindet. Im einzelnen verneinen diese Ökonomen die Möglichkeit und Notwendigkeit für eine soziale Gleichsetzung der Arbeit in einer sozialistischen Produktion. Ich habe in meinem Buch einen Mittelweg vorgeschlagen. Ich wies darauf hin, daß jegliche Produktion, die auf Arbeitsteilung beruht, bis zu einem, gewissen Grade und in der einen oder anderen Form zur sozialen Gleichsetzung der Arbeit von verschiedener Form und von verschiedenen Individuen greift. Im Zusammenhang damit wies ich auch darauf hin, daß diese Gleichsetzung der Arbeit in einer Warenproduktion eine ganz besondere soziale Form annimmt, und deshalb der Erscheinung einer ganz neuen Kategorie, der abstrakten Arbeit, Platz macht. Ich glaube, daß Marx diese Frage ebenso betrachtete, obwohl wir keine klare Äußerung von ihm zu diesem Thema haben. Ich kenne eine ganz klare Äußerung von Marx, die noch aus der ersten Ausgabe des "Kapitals" stammt. Dort sagt er: "In jeder gesellschaftlichen Arbeitsform sind die Arbeiten der verschiedenen Individuen auch als menschliche aufeinander bezogen, aber hier gilt diese Beziehung selbst als die spezifisch gesellschaftliche Form der Arbeiten." (7) Das Ende dieses Satzes werden wir später analysieren. Einstweilen will ich nur festhalten, daß offensichtlich nach der Ansicht von Marx, in jeder gesellschaftlichen Form der Arbeit, die Arbeit einzelner Individuen als menschliche Arbeit aufeinander bezogen ist. Es ist richtig, daß extreme Anhänger der physiologischen Version behaupten könnten, daß Marx hier nur die physiologische Gleichheit der verschiedenen Arbeiten meinte. Aber eine solche Interpretation scheint mir zu sehr an den Haaren herbeigezogen. Sowohl der eigentliche Sinn des bestimmten Satzes, der von der "gesellschaftlichen Form der Arbeit" spricht, wie auch sein Bezug zu vielen anderen Stellen im "Kapital" zeigen, daß Marx hier den Prozeß der sozialen Gleichsetzung der Arbeit meinte. Ich halte es für notwendig, in die angeführte Formel, laut der in jeder beliebigen gesellschaftlichen Produktionsform eine soziale Gleichsetzung der Arbeit stattfindet, eine gewisse Einschränkung einzuführen. Ich glaube, daß, sagen wir, in der Urfamilie, wo die Arbeit zwischen Mann und Frau aufgeteilt und an die Vertreter jedes Geschlechts gebunden war, wobei kein Übergang von den männlichen Arbeiten zu den weiblichen existierte und sogar verboten war, der Prozeß der sozialen Gleichsetzung der Arbeit nicht stattfinden konnte, noch nicht einmal in seiner embryonalen Form. Außerdem konnte in solchen gesellschaftlichen Organisationen, die auf extremer Ungleichheit der verschiedenen sozialen Schichten basierten (z.B. Sklaverei), die soziale Gleichsetzung der Arbeit nur für die Mitglieder einer bestimmten sozialen Gruppe stattfinden (z.B. für Sklaven oder für eine bestimmte Kategorie von Sklaven). In einer solchen Gesellschaft konnte sogar der Begriff der Arbeit als solcher, als gesellschaftliche Funktion nicht erarbeitet werden. Wenn wir also die soziale Organisation beiseite lassen, die auf extremer Ungleichheit der Geschlechter oder einzelner Gruppen beruhte - und hier von einer großen Gemeinschaft mit aufgeteilter Arbeit sprechen, z.B. von der Art der großen Familienverbände bei den Südslaven - glaube ich, daß hier der Prozeß der sozialen Angleichung der Arbeit notwendig war. Um so eher wird ein solcher Prozeß in einer großen sozialistischen Gemeinschaft notwendig. Aber der Prozeß dieser Gleichsetzung der Arbeit unterscheidet sich in einer organisierten Gemeinschaft wesentlich von jenem, der in einer Warenproduktion vor sich geht. Stellen wir uns wirklich irgendeine sozialistische Gemeinschaft vor, wo die Arbeit zwischen den Mitgliedern der Gesellschaft aufgeteilt wurde. Ein bestimmtes gesellschaftliches Organ setzt die Arbeit von verschiedener Art und von verschiedenen Individuen einander gleich, da ohne dieses Organ kein einziger Wirtschaftsplan verwirklicht werden könnte. Aber in einer solchen Gemeinschaft ist der Prozeß der Gleichsetzung der Arbeit sekundär und nur ergänzend zum Prozeß der Vergesellschaftung und Teilung der Arbeit. Die Arbeit ist hauptsächlich eine gesellschaftliche und eine geteilte. Als abgeleitetes oder ergänzendes Merkmal gehört auch das Merkmal der sozial gleichgesetzten Arbeit hierher. Die Hauptcharakteristik der Arbeit ist ihr gesellschaftlicher und geteilter Aspekt, und ein zusätzliches Merkmal ist ihr sozial gleichgesetzter Aspekt. Ich möchte hier gleich die Gelegenheit benutzen, und sagen, daß ich es für nützlich halten würde, im Sinne einer klaren Diskussion der für uns interessanten Fragen folgende drei Begriffe der gleichen Arbeit voneinander zu unterscheiden: 1) die physiologisch gleiche Arbeitdie bei Marx verwendet wird. oder noch besser, die abstrakt allgemeine Arbeit (ein Terminus, den Marx in der "Kritik" benützt). Die physiologische Gleichartigkeit der verschiedenen Arbeitsweisen existierte in allen historischen Epochen und die Möglichkeit, daß einzelne Individuen von einer Beschäftigung zur anderen überwechseln, ist die Voraussetzung für jegliche gesellschaftliche Arbeitsteilung. Die sozial gleichgesetzte Arbeit ist für alle Systeme der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit charakteristisch, d.h. nicht nur für eine Warenproduktion, sondern z.B. für eine sozialistische Gemeinschaft. Und schließlich ist der dritte Begriff der Arbeit, als abstrakt allgemeiner nur für die Warenproduktion charakteristisch. Mit diesem Begriff werden wir uns noch später beschäftigen. Bis jetzt sprachen wir nur über den zweiten Begriff der Arbeit als sozial gleichgesetzte und geteilte. Sehen wir uns jetzt an, welche Veränderungen in unserer Gemeinschaft bei der Organisation der Arbeit vor sich gehen werden, wenn wir sie uns nicht in Form eines organisierten Ganzen, sondern in Form einer Verbindung von Einzelproduktionen privater Warenproduzenten vorstellen, d.h. in Form einer Warenproduktion. In einer Warenproduktion finden wir auch die oben aufgezählten sozialen Merkmale der Arbeit, die wir früher in einer organisierten Gemeinschaft beobachtet hatten. Auch hier werden wir gesellschaftliche Arbeit, geteilte Arbeit und sozial gleichgesetzte Arbeit finden; aber all diese Vergesellschaftungsprozesse, Prozesse der Gleichsetzung und Verteilung der Arbeit, gehen hier in einer völlig anderen Form vor sich. Die Wechselbeziehung zwischen den drei erwähnten Merkmalen ist schon eine ganz andere, vor allem weil in einer Warenproduktion die unmittelbar gesellschaftliche Organisation der Arbeit fehlt, und die Arbeit keine unmittelbar gesellschaftliche ist. In einer Warenproduktion wird die Arbeit eines Einzelindividuums, eines einzelnen Warenproduzenten nicht unmittelbar durch die Gesellschaft reguliert, und gehört als solche, in ihrer konkreten Form noch nicht zur gesellschaftlichen Produktion. Arbeit wird in einer Warenproduktion nur so zur gesellschaftlichen, daß sie das Merkmal der sozial gleichgesetzten Arbeit annimmt; und die Arbeit jedes Warenproduzenten wird nur durch die Tatsache zur gesellschaftlichen, daß sein Produkt an die Produkte aller anderen Warenproduzenten angeglichen wird, und damit wird die Arbeit eines bestimmten Individuums an die Arbeit aller anderen Mitglieder der Gesellschaft und an alle anderen Arbeitsweisen angeglichen. Ein anderes Merkmal für die Definition des gesellschaftlichen Charakters der Arbeit in einer Warenproduktion gibt es nicht. Hier gibt es keinen im voraus gefaßten Plan der Vergesellschaftung der Arbeitsteilung, und der einzige Hinweis darauf, daß die Arbeit eines bestimmten Individuums in das gesellschaftliche Produktionssystem mit eingeschlossen wird, ist der Austausch des Produktes einer bestimmten Arbeit gegen alle anderen Produkte. Also haben das Merkmal der gesellschaftlichen und das Merkmal der gleichgesetzten Arbeit in einer Warenproduktion im Vergleich zu einer sozialistischen Gemeinschaft ihre Rollen vertauscht. Früher war das Charakteristikum der Arbeit als gleiche oder gleichgesetzte das Resultat des abgeleiteten Prozesses, des abgeleiteten Aktes eines gesellschaftlichen Organs, das die Arbeit vergesellschaftete und aufteilte. Jetzt wird die Arbeit nur in jener Form zu einer gesellschaftlichen, worin sie allen anderen Arbeitsweisen gleichgesetzt und so zur sozial gleichgesetzten wird. Ich möchte hier einige Zitate von Marx anführen, die das Gesagte bestätigen sollen. Die eindeutigste Stelle kann man in der "Kritik" finden, wo Marx sagt, daß die Arbeit nur dadurch zur gesellschaftlichen wird, "daß sie die Form. ihres unmittelbaren Gegenteils, die Form der abstrakten Allgemeinheit annimmt" (8), d.h. die Form der Angleichung an alle anderen Arbeitsweisen "Die abstrakte und in dieser Form gesellschaftliche Arbeit", mit diesen Worten charakterisiert Marx oft die soziale Form der Arbeit in einer Warenproduktion. Ich möchte hier auch an den bekannten Satz aus denn "Kapital" erinnern, der besagt, daß in einer Warenproduktion "der spezifisch gesellschaftliche Charakter der voneinander unabhängigen Privatarbeiten in ihrer Gleichheit als menschliche Arbeit besteht". (9) Und so wurde in der Warenproduktion der Schwerpunkt der sozialen Charakteristik der Arbeit vom Merkmal der vergesellschafteten zum Merkmal der gleichen oder sozial gleichgesetzten Arbeit hin verschoben, die durch die Gleichsetzung der Produkte erst zur gleichgesetzten Arbeit wurde. Der Begriff der Gleichheit der Arbeit spielt eben deshalb eine wichtige Rolle in der Marxschen Werttheorie, weil in einer Warenproduktion die Arbeit nur in ihrer Eigenschaft als gleiche Arbeit zur gesellschaftlichen wird. Ähnlich wie aus dem Merkmal der Gleichheit der Arbeit in einer Warenproduktion das Merkmal der gesellschaftlichen Arbeit hervorgeht, genauso geht auch das Merkmal der geteilten Arbeit hieraus hervor. Die Teilung der Arbeit in einer Warenproduktion besteht nicht in ihrer bewußten Teilung entsprechend bestimmten vorher geäußerten Bedürfnissen, sondern wird durch das Prinzip des gleichen Nutzens der Produktion reguliert. Die Teilung der Arbeit zwischen den einzelnen Produktionszweigen geht so vor sich, daß in allen Produktionszweigen die Warenproduzenten durch Verausgabung der gleichen Quantität an Arbeit die gleiche Wertsumme erhalten. Wir hielten die drei Merkmale der Arbeit fest; die gesellschaftliche, die sozial gleichgesetzte und die geteilte Arbeit. Alles Merkmale, die der Arbeit auch in einer sozialistischen Gesellschaft zueigen sind, die aber ihren Charakter und die Wechselbeziehung, wie sie in einer Warenproduktion besteht, völlig verändern. Die hier aufgezählten drei Merkmale der Arbeit sind die Basis, aus der die drei Aspekte des Wertes erwachsen. Marx betrachtet den Wert als die Einheit der Wertformen, Wertsubstanz und der Wertgröße. "Das entscheidend Wichtige aber war, den inneren notwendigen Zusammenhang zwischen Wertform. Wertsubstanz und Wertgroße zu entdecken" (10). Die Einheit von Form, Substanz und Größe des Wertes ist der Reflex der Einheit der Arbeit als gesellschaftlicher, sozial gleichgesetzter und quantitativ geteilter. In einer Warenproduktion werden die Arbeits- und Produktionsverhältnisse "vergegenständlicht", und die gesellschaftlichen Merkmale der Arbeit nehmen die Form von "vergegenständlichten" Eigenschaften des Arbeitsprodukts an. "Die Wertform" ist die gesellschaftliche Form des Arbeitsprodukts, die den eigentümlichen gesellschaftlichen Charakter der Arbeit in einer Warenproduktion widerspiegelt. "Die Wertsubstanz" stellt die sozial gleiche Arbeit dar. und schließ lieh ist die "Wertgröße" Ausdruck der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit, oder genauer der quantitativen Seite dieses Prozesses der Arbeitsteilung. Die von uns vorgeschlagene dreifache Charakteristik der Arbeit hilft uns, jenen Zusammenhang zu erklären, der im Marxschen System zwischen Form, Substanz und Größe des Wertes besteht. Insbesondere klärt diese dreifache Teilung einige Probleme des Aufbaus des Abschnittes über den "Fetischcharakter der Ware" von Marx. Erlaubt mir aus dem zweiten Absatz dieses Abschnittes vorzulesen: "Denn erstens, wie verschieden die nützlichen Arbeiten oder produktiven Tätigkeiten sein mögen, es ist eine physiologische Wahrheit, daß sie Funktionen des menschlichen Organismus sind, und daß jede solche Funktion, welches immer ihr Inhalt und ihre Form, wesentlich Verausgabung von menschlichem Hirn, Nerv, Muskel, Sinnesorgan usw. ist. Was zweitens der Bestimmung der Wertgröße zugrunde liegt, die Zeitdauer jener Verausgabung oder die Quantität der Arbeit, so ist die Quantität sogar sinnfällig von der Qualität der Arbeit unterscheidbar. ... Endlich, sobald die Menschen in irgendeiner Weise füreinander arbeiten, erhält ihre Arbeit auch eine gesellschaftliche Form." (11) In den drei zitierten Punkten weist Marx darauf hin, daß wir nicht nur in einer Warenproduktion, sondern auch in anderen Produktionsformen die drei Merkmale der Arbeit bemerken können; die gesellschaftliche, die gleiche und die quantitativ geteilte Arbeit. Aber. sagt Marx, "woher entspringt also der rätselhafte Charakter des Arbeitsprodukts, sobald es Warenform annimmt?" Und er antwortet selbst: Offenbar gerade aus dieser Warenform, in der die drei genannten Kennzeichen der Arbeit schon umgewandelt, "verdinglicht" sind im Wert der Arbeitsprodukte, "Die Gleichheit der menschlichen Arbeiten erhält die sachliche Form der gleichen Wertgegenständlichkeit der Arbeitsprodukte, das Maß der Verausgabung menschlicher Arbeitskraft durch ihre Zeitdauer erhält die Form der Wertgröße der Arbeitsprodukte, endlich die Verhältnisse der Produzenten, worin jene gesellschaftlichen Bestimmungen ihrer Arbeiten betätigt werden, erhalten die Form eines gesellschaftlichen Verhältnisses der Arbeitsprodukte." (12) In diesen drei Punkten spricht Marx schon von der Substanz, der Größe und der Form des Wertes. Besonders klar kann man den Gedankengang von Marx in der ersten Ausgabe des "Kapitals" verfolgen, wo er gleich nach den zitierten drei Sätzen eine ganze Seite lang von der Substanz, der Größe und der Form des Wertes spricht. In der zweiten Ausgabe sind diese Äußerungen bezüglich der Substanz, der Größe und der Form des Wertes gleichsam wie von Marx ausgelassen. In Wirklichkeit wurden sie nur weiter nach hinten verlegt. Die drei Absätze, die Marx seiner Analyse der verschiedenen Produktionsformen voranschickt (die Produktion Robinsons, die mittelalterliche usw.) sind der Substanz, der Größe und der Form des Wertes gewidmet. (13) Ich komme nun zu folgendem Schluß: Gleiche Arbeit kann zunächst die physiologisch gleiche Arbeit bedeuten, bei der wir uns nicht lange aufgehalten haben; weiter kann sie die sozial gleichgesetzte Arbeit bedeuten, und eine solche Arbeit gibt es nicht nur in einer Warenproduktion, sondern auch, sagen wir, in einer sozialistischen Gemeinschaft oder in einer anderen großen Gemeinschaft, die auf der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit beruht; und endlich haben wir die abstrakt allgemeine Arbeit, d.h. die sozial gleichgesetzte Arbeit in der spezifischen Form, die einer Warenproduktion zueigen ist, die Arbeit, die nur durch den Prozeß der sozialen Gleichsetzung zur gesellschaftlichen und geteilten wird. Nur diese sozial gleichgesetzte Arbeit können wir als abstrakte oder abstrakt allgemeine bezeichnen. Man muß hier erwähnen, daß man in der "Kritik der Politischen Ökonomie" von Marx einige Anspielungen auf die drei Arten der Gleichsetzung der Arbeit finden kann: die physiologische, die soziale Gleichsetzung allgemein und die soziale Gleichsetzung in einer Warenproduktion. Es ist wahr, daß Marx keine völlig klare Unterscheidung macht, aber man muß trotzdem darauf hinweisen, daß er drei Termini unterscheidet: die menschliche Arbeit, die gleiche und die abstrakt allgemeine Arbeit. Ich möchte nicht behaupten, daß diese drei Termini mit dem übereinstimmen, was ich früher als physiologisch gleiche Arbeit, sozial gleichgesetzte und abstrakte Arbeit charakterisiert habe, aber trotzdem gibt es einige Berührungspunkte. Deshalb haben wir bei der Behandlung des Problems der abstrakten Arbeit nicht nur kein Recht, wenn wir auf der vorläufigen Charakteristik der Arbeit als physiologisch gleicher verharren, sondern wir haben auch kein Recht, bei der Charakteristik der Arbeit als sozial gleichgesetzter stehenzubleiben. Wir müssen von diesen beiden Charakteristiken zu einer dritten übergehen, und jene spezifische Form der gleichgesetzten Arbeit untersuchen, die nur der Warenproduktion zueigen ist, d.h. dem System der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit, das auf Austausch basiert. Folglich begehen nicht nur die Anhänger der physiologischen Auffassung von der abstrakten Arbeit einen Fehler, sondern meiner Meinung nach auch jene Genossen, die unter der abstrakten Arbeit allgemein die sozial gleichgesetzte Arbeit, unabhängig von der spezifisch sozialen Form, verstehen, in der diese Gleichsetzung vor sich geht. Man muß hinzufügen, daß die zwei Begriffe von Arbeit, eben die physiologisch gleichgesetzte und die sozial gleichgesetzte, oft miteinander verwechselt und nicht klar genug voneinander unterschieden werden. Der Begriff der abstrakt allgemeinen Arbeit impliziert natürlich auch die physiologische Gleichheit und die soziale Gleichsetzung der Arbeit, aber außer diesen zwei Merkmalen enthält dieser Begriff auch die soziale Gleichsetzung in jener spezifischen Form. die sie in einer Warenproduktion hat, Daß die Anhänger der physiologischen Auffassung von der abstrakten Arbeit sich grob gegen Marx vergehen, kann man mit vielen Zitaten von ihm selbst beweisen. Ich möchte hier nur ein sehr charakteristisches Zitat vorlesen. Marx sagt in seiner kurzen Charakteristik der Ansichten Franklins, daß Franklin unbewußt alle Arbeitsweisen auf einen Aspekt zurückführte, wobei ihn nicht interessierte, ob das die Arbeit eines Schusters, Schneiders usw. war. Franklin glaubte, daß der Wert "durch abstrakte Arbeit, die keine besondere Qualität besitzt und daher durch bloße Quantität meßbar ist", bestimmt wird. Franklin kannte die abstrakte Arbeit, "da er aber", fügte Marx hinzu, "die im Tauschwert enthaltene Ar-bei nicht als die abstrakt allgemeine, aus der allseitigen Entäußerung der individuellen Arbeiten entspringende gesellschaftliche Arbeit entwickelt, verkennt er notwendig Geld als die unmittelbare Existenzform dieser entäußerten Arbeit. "(14) Hier wird ersichtlich, daß Marx die abstrakte Arbeit klar der abstrakt allgemeinen gegenüberstellt. Die abstrakt allgemeine Arbeit, die im Wert enthalten ist, ist die Arbeit, die spezifisch einer Warenproduktion zueigen ist. Hier komme ich zu folgendem Schluß. Wenn wir das Problem des Verhältnisses zwischen Arbeit und Wert nicht nur vom Standpunkt der analytischen Methode analysieren, sondern auch vom dialektischen, so müssen wir als Ausgangspunkt den Begriff der Arbeit nehmen und aus ihm den Wertbegriff entwickeln. Wenn wir den analytischen Weg gehen und vom Wert ausgehen, und uns fragen, was hinter diesem Begriff steckt, so können wir wohl sagen, daß sich hinter dem Wert der Produkte physiologisch gleiche und sozial gleichgesetzte Arbeit verbirgt. Aber beide Antworten werden unbefriedigend sein, da wir auf keine Weise von der physiologisch gleichen Arbeit oder auch von der sozial gleichgesetzten zum Wert übergehen können. Um auf dialektischem Wege vom Begriff der Arbeit zum Begriff des Wertes zu gelangen, muß man in den Begriff der Arbeit auch die Merkmale mit einbeziehen, die die soziale Organisation der Arbeit in einer Warenproduktion charakterisieren und die Erscheinung des Wertes als besondere soziale Form des Arbeitsprodukts notwendig machen. Folglich muß dieser Begriff der abstrakt allgemeinen Arbeit weitaus reicher sein nicht nur als der Begriff der physiologischen Gleichheit der Arbeit, sondern auch als der der sozialen Gleichsetzung der Arbeit überhaupt. II. Von der physiologisch gleichen Arbeit gingen wir zur sozial gleichgesetzten und von der sozial gleichgesetzten zur abstrakt allgemeinen über. Wir bereicherten unsere Definition der Arbeit um neue Merkmale in den drei Stadien unserer Untersuchung, und nur als wir schon zum dritten Stadium übergingen und die Arbeit als abstrakt allgemeine bestimmten, aus der notwendigerweise die Kategorie des Wertes hervorgehen mußte, hatten wir die Möglichkeit von der Arbeit zum Wert überzugehen. Wir könnten die abstrakte Arbeit ungefähr folgendermaßen definieren: Als abstrakte Arbeit wird jener Teil der gesamten gesellschaftlichen Arbeit bezeichnet, der im Prozeß der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit durch die Gleichsetzung der Arbeitsprodukte auf dem Markt gleichgestellt wurde. In meinem Buch "Studien zur Marxschen Werttheorie" (15) gab ich ungefähr diese Definition. Ich halte es für notwendig hinzuzufügen, daß die soziale Natur der abstrakten Arbeit nicht dadurch eingeschränkt wird, daß aus diesem Begriff notwendigerweise der Begriff des Wertes hervorgeht. Wie ich schon in meinem Buch skizziert habe, führt der Begriff der abstrakten Arbeit unbedingt auch zum Begriff des Geldes, und vom marxistischen Standpunkt aus ist das völlig konsequent. In Wirklichkeit definierten wir die abstrakte Arbeit als Arbeit, die durch die allseitige Gleichsetzung aller Arbeitsprodukte angeglichen wurde, aber die Gleichsetzung aller Arbeitsprodukte ist nicht anders möglich als durch die Angleichung jedes einzelnen von ihnen an ein allgemeines Äquivalent. Folglich besitzt das Produkt der abstrakten Arbeit die Fähigkeit, an alle anderen Produkte nur in der Form angeglichen zu werden, daß es als allgemeines Äquivalent erscheint, oder potentiell gegen ein allgemeines Äquivalent ausgetauscht werden kann. Daß der Begriff der abstrakten Arbeit bei Marx untrennbar mit dem des allgemeinen Äquivalents verbunden ist, kann man besonders klar in der "Kritik der politischen Ökonomie" verfolgen. Marx geht hier an die Untersuchung der abstrakten Arbeit auf folgende Weise heran. Wie auch im "Kapital" geht er zuerst von der Ware oder dem Wert aus, und findet auf analytischem Wege die hinter dem Wert versteckte, abstrakt allgemeine Arbeit. (16) Nachdem er von der Gleichheit der Werte auf analytischem Wege zur Gleichheit der Arbeit gekommen ist, geht er über zur detaillierten soziologischen Charakteristik dieser gleichen Arbeit, der "gesellschaftlichen Bestimmungen der Arbeit", jener "spezifischen Art der Gesellschaftlichkeit", die einer Warenproduktion zueigen ist. (17) In einer Warenproduktion zeigt sich der gesellschaftliche Charakter der Arbeit in dieser Weise, daß "die Arbeit des einzelnen die abstrakte Form der Allgemeinheit, oder sein Produkt die Form eines allgemeinen Äquivalents annimmt." (18) "Als allgemeine Arbeitszeit stellt sie sich dar in einem allgemeinen Produkt, einem allgemeinen Äquivalent." (19) "Die Arbeit des einzelnen, um in Tauschwert zu resultieren, muß resultieren in ein allgemeines Äquivalent." (20) Wie wir sehen können, bringt Marx die Kategorie der abstrakten Arbeit mit dem Begriff des allgemeinen Äquivalents oder des Geldes untrennbar in Zusammenhang. Deshalb müssen wir die soziale Charakteristik der abstrakten Arbeit noch weiter und tiefer führen, wobei wir uns nicht darauf beschränken dürfen, daß die Arbeit durch die Gleichsetzung ihrer Produkte angeglichen wird. Wir müssen noch hinzufügen, daß die Arbeit durch die Angleichung an eine bestimmte Form von Arbeit zur abstrakten wird, oder auch durch die Angleichung des Produkts an ein allgemeines Äquivalent, das deshalb von Marx als Vergegenständlichung oder Materialisierung der abstrakten Arbeit betrachtet wird. Vom eben dargelegten Standpunkt aus eröffnet sich uns eine interessante Parallele zwischen Marx und Hegel in dieser Frage. Der Terminus "abstrakt allgemein" selbst erinnert, wie wir wissen, an Hegel. Er unterscheidet das Abstrakt Allgemeine vom Konkret Allgemeinen. Der Unterschied zwischen den beiden kann darauf reduziert werden, daß das Konkret Allgemeine das Allgemeine ist, das die Unterschiede zwischen den Gegenständen, die von diesem allgemeinen Aspekt erfaßt werden, nicht ausschließt, während das Abstrakt Allgemeine solche Unterschiede ausschließt. Um zu verstehen, warum Marx gerade die gleichgesetzte Arbeit der Warenproduzenten die abstrakt allgemeine nennt, müssen wir den Prozeß der Gleichsetzung der Arbeit in einer sozialistischen Gemeinschaft mit dem Gleichsetzungspro-zeß der Arbeit in einer Warenproduktion vergleichen. Hier fällt uns folgender Unterschied auf. Nehmen wir an, daß irgendein Organ in einer sozialistischen Gemeinschaft die verschiedenen Arbeitsweisen aneinander angleicht. Was geschieht dabei? Dieses Organ nimmt alle diese Arbeitsweisen in ihrer konkreten nützlichen Form, da es sie gerade in dieser Form verbindet, aber es abstrahiert dabei einen ihrer Aspekte und sagt, daß diese Arbeitsweisen unter den gegebenen Umständen einander gleich sind. In diesem Fall tritt die Gleichheit als Merkmal dieser konkreten Arbeitsweisen auf, als Merkmal, das von diesen Formen abstrahiert wurde; aber diese allgemeine Kategorie der Gleichheit zerstört ihren konkreten Unterschied nicht, der sich als nützliche Arbeitsweise manifestiert. In einer Warenproduktion ist eine solche Angleichung unmöglich. da es kein Organ gibt, das bewußt alle diese Arbeitsweisen gleichsetzt. Die Arbeit eines Spinners und die eines Webers kann nicht gleichgesetzt werden, solange das konkrete nützliche Arbeitsarten sind. Ihre Gleichsetzung erfolgt nur auf indirektem Weg durch die Angleichung jeder einzelnen an die dritte herausgearbeitete Form der Arbeit, nämlich die "abstrakt allgemeine" Arbeit. (21) Diese bestimmte Arbeitsweise ist eine "abstrakt allgemeine" (und nicht eine konkret allgemeine) gerade deshalb, weil sie nicht die Unterschiede der verschiedenen konkreten Arbeitsweisen miteinbe zieht, sondern diese Divergenzen ausschließt: Diese Art steht allen konkreten Arbeitsarten gegenüber, indem sie als deren Vertreter oder Repräsentant auftritt. Daß Marx im gegebenen Fall den Unterschied zwischen dem Abstrakt Allgemeinen und dem Konkret Allgemeinen meinte, der bei Hegel vorkommt, können wir klar in der ersten Ausgabe des "Kapitals" verfolgen, wo allgemein die Spuren des Hegeischen Konzepts und der Hegeischen Terminologie viel klarer hervortreten als in der zweiten. Bei Marx gibt es hier einen Absatz, der lautet: "Innerhalb des Wertverhältnisses und des darin einbegriffenen Wertausdrucks gilt das abstrakt Allgemeine nicht als Eigenschaft des Konkreten, Sinnlich-Wirklichen, sondern umgekehrt das Sinnlich-Konkrete als bloße Erscheinungs- oder bestimmte Verwirklichungsform des Abstrakt-Allgemeinen ... Diese Verkehrung, wodurch das Sinnlich-Konkrete nur als Erscheinungsform des Abstrakt-Allgemeinen, nicht das Abstrakt-Allgemeine umgekehrt als Eigenschaft des Konkreten gilt, charakterisiert den Wertausdruck. Sie macht zugleich sein Verständnis schwierig." (22) An anderer Stelle sagt Marx: "Es ist als ob neben und außer Löwen. Tigern, Hasen und allen ändern wirklichen Tieren, die gruppiert die verschiedenen Geschlechter, Arten. Unterarten, Familien usw. des Tierreichs bilden, auch noch das Tier existierte, die individuelle Inkarnation des ganzen Tierreichs. " (23) Wenn wir diesen Satz von Marx entschlüsseln wollen, so müssen wir sagen, daß in einer Warenproduktion das Abstrakt-Allgemeine wirklich auftritt, nicht als Merkmal oder als Charakteristikum des Konkreten, des Sinnlich Wirklichen (d.h. der konkreten Arbeitsarten), da es, um die bestimmten allgemeinen Züge von diesen konkreten Arbeitsarten zu abstrahieren, eines einheitlichen Organs bedurft hätte, das es in einer Warenproduktion nicht gibt. Deshalb werden hier die konkreten Arbeitsarten einander nicht durch Abstraktion einiger allgemeiner Merkmale angeglichen, sondern durch Gegenüberstellung und Gleichsetzung jeder dieser Arten mit einer besonderen, bestimmten konkreten, die als "Erscheinungsform" der allgemeinen Arbeit dient. Damit die konkrete Arbeit zur allgemeinen wird, muß die allgemeine Arbeit in der Form der konkreten Arbeit auftreten. "... Darstellung der Arbeitszeit des einzelnen als allgemeiner Arbeitszeit oder Darstellung der allgemeinen Arbeitszeit als der des einzelnen." (24) Nur unter diesem Aspekt der Äußerungen von Marx, die klar Spuren des Einflusses von Hegel zeigen, können die von mir früher erwähnten Stellen aus der "Kritik" verstanden werden, wo Marx sagt, daß in einer Warenproduktion die Arbeit nur so zur gesellschaftlichen wird, daß sie die Form einer abstrakten Allgemeinheit annimmt. Dieser Gedanke von Marx ist allgemein verwandt mit seinen Ansichten über die bürgerliche Gesellschaft. Schon in seinen frühen Werken, z.B. in der "Deutschen Ideologie", gibt er dem Gedanken Ausdruck, daß in einer bürgerlichen Gesellschaft, wo eine zentrale gesellschaftliche Organisation der Produktion fehlt, die Vertretung des gesellschaftlichen Interesses immer an irgendeine Einzelorganisation, an eine Gruppe von Personen, an eine einzelne Klasse geht. Diese einzelne gesellschaftliche Klasse erklärt ihre partiellen Interessen für die Interessen der ganzen Gesellschaft und verleiht ihren Ideen "die Form der Allgemeinheit". Das besondere Interesse wird als das Allgemeine ausgedrückt und das Allgemeine als das Herrschende. (25) Wenn wir diese Worte von Marx in der "Kritik" mit jenen Äußerungen vergleichen, wo er sagt, daß die gesellschaftliche Arbeit die "abstrakte Form der Allgemeinheit" annimmt, und daß der Wert einer Ware die Form einer besonderen, bestimmten Ware, die Form des Geldes annimmt, so ist die enge ideelle Verwandtschaft dieser Konzepte offensichtlich. Um jetzt das Problem der abstrakten Arbeit abzuschließen, muß ich noch auf zwei Vorwürfe eingehen, die mir sowohl im Artikel von Daschkowskij (26), als auch von verschiedenen anderen Genossen gemacht wurden. Der erste Vorwurf war, daß ich gleichsam die abstrakte Arbeit durch den Prozeß der Abstrahierung von den konkreten charakteristischen Merkmalen der Arbeit ersetzen will, d.h. daß ich die abstrakte Arbeit durch die soziale Form der Organisation der Arbeit ersetzen will. Ich muß zugeben, daß ein solcher Ersatz, wenn er wirklich geniacht würde, von der Marxschen Theorie abweichen würde. Behaupten wir doch, daß der Charakter der Produktionsverhältnisse der Menschen in einer Warenproduktion unbedingt dazu führt, daß die Arbeit sowohl was ihre qualitative, als auch was ihre quantitative Seite betrifft, ihren Ausdruck im Wert und in der Wertgröße einer Ware findet. Wenn wir statt der abstrakten Arbeit nur die soziale Form der Organisation der Arbeit nehmen, so könnten wir mit ihrer Hilfe nur die "Form des Wertes" erklären, d.h. die soziale Form, die ein Arbeitsprodukt annimmt. Wir könnten auch erklären, warum ein Arbeitsprodukt die Form einer Ware annimmt, die einen Wert besitzt. Aber wir wüßten nicht, warum dieses Produkt gerade diesen gegebenen, quantitativ bestimmten Wert annimmt. Um den Wert zu erklären als Einheit der Wertform, der Wertsubstanz und der Wertgröße, müssen wir von der abstrakten Arbeit ausgehen, die nicht nur eine gesellschaftliche und eine sozial gleichgesetzte ist, sondern auch eine quantitativ geteilte. Bei Marx selbst kann man Formulierungen finden, die, wenn man so will, Grund genug wären, um zu sagen, daß Marx die Arbeit durch die soziale Form der Arbeit ersetzt. Da es zu langwierig wäre, sich auf die verschiedenen Stellen bei Marx zu beziehen, möchte ich nur einen Satz anführen, der, in wessen Munde auch immer, außer in dem von Marx, ketzerisch klingen würde. Der Satz lautet: "Tauschwert setzende Arbeit ist dagegen eine spezifisch gesellschaftliche Form der Arbeit." (27) Und ebendort sagt Marx in einer Anmerkung, daß der Wert die gesellschaftliche Form des Reichtums ist. Wenn man diese beiden Sätze vereint, so erhält man statt der These, daß die Arbeit den Wert bildet, die These, daß die gesellschaftliche Form der Arbeit die gesellschaftliche Form des Reichtums erzeugt. Welcher Kritiker könnte wohl sagen, daß Marx völlig die Arbeit durch die gesellschaftliche Form der Arbeit ersetzt; was Marx natürlich auch nicht beabsichtigte. Jetzt möchte ich zum zweiten Vorwurf übergehen. Es wird gesagt, daß aus meinen Darlegungen der Eindruck entsteht, als ob abstrakte Arbeit nur im Akt des Austausches erzeugt wird. Daraus könnte man den Schluß ziehen, daß auch der Wert nur im Austausch entsteht, wobei von Marx' Standpunkt aus der Wert und folglich auch die abstrakte Arbeit schon im Produktionsprozeß existieren müssen. Hier wird das äußerst ernste und profunde Problem des Verhältnisses zwischen Produktion und Austausch berührt. Wie können wir diese Schwierigkeit lösen? Einerseits müssen der Wert und die abstrakte Arbeit schon im Produktionsprozeß existieren, und andererseits sagt Marx an Dutzenden von Stellen, daß der Austauschprozeß die Voraussetzung für die abstrakte Arbeit ist. Erlaubt mir, einige Beispiele anzuführen. Ich möchte zu Franklin zurückkehren. Marx sagt: "Da er aber die im Tauschwert enthaltene Arbeit nicht als die abstrakt allgemeine, aus der allseitigen Entäußerung der individuellen Arbeiten entspringende gesellschaftliche Arbeit entwickelt, ..."usw. (28) Der Hauptfehler Franklins bestand folglich darin, daß er nicht zur Kenntnis nahm, daß die abstrakte Arbeit aus der Entäußerung der individuellen Arbeit entspringt. Im gegebenen Fall geht es nicht um einen einzelnen Satz von Marx. Ich werde selbst zeigen, daß in den letzten Ausgaben des "Kapitals" Marx immer seltener den Gedanken unterstrich, daß in einer Warenproduktion nur der Austausch die konkrete Arbeit auf die abstrakte reduziert. Ich möchte zu den erwähnten Feststellungen zurückkehren: "Die Menschen beziehen also ihre Arbeitsprodukte nicht aufeinander als Werte, weil diese Sachen ihnen als bloß sachliche Hüllen gleichartig menschlicher Arbeit gelten. Umgekehrt. Indem sie ihre verschiedenartigen Produkte einander im Austausch als Werte gleichsetzen, setzen sie ihre verschiedenen Arbeiten einander als menschliche Arbeit gleich." (29) In der ersten Ausgabe des "Kapitals" hatte dieser Satz einen völlig entgegengesetzten Sinn. Er lautete bei Marx: "Wenn die Menschen ihre Produkte auf einander als Werte beziehen, sofern diese Sachen für bloß sachliche Hüllen gleichartig menschlicher Arbeit gelten ..." usw.(30) In der zweiten Ausgabe änderte Marx, da er fürchtete, daß man ihn so verstehen wird, als ob die Menschen im voraus bewußt ihre Arbeit als abstrakte Arbeit einander angleichen, den Sinn des Satzes völlig, und unterstrich den Aspekt, daß die Gleichsetzung der Arbeit als abstrakte nur durch den Austausch der Arbeitsprodukte vor sich geht. Das ist eine signifikante Änderung von der ersten Ausgabe zur zweiten. Wie ihr sicher wissen werdet, beschränkte sich Marx nicht auf die zweite Ausgabe des ersten Bandes des "Kapitals". Er korrigierte in der Folge den Text für die französische Ausgabe 1875, wobei er schrieb, daß er hier Korrekturen durchführte, die er in der zweiten deutschen Ausgabe nicht machen konnte. Auf dieser Basis ordnete er der französischen Ausgabe des Kapitals einen dem. deutschen Original gleichwertigen eigenständigen wissenschaftlichen Wert zu. (31) In der zweiten Ausgabe des "Kapitals" kann man den bekannten Satz finden: "Die Gleichheit toto coelo verschiedener Arbeiten kann nur in einer Abstraktion von ihrer wirklichen Ungleichheit bestehn, in der Reduktion auf den gemeinsamen Charakter, den sie als Verausgabung menschlicher Arbeitskraft, abstrakt menschliche Arbeit, besitzen." (32) In der französischen Ausgabe ersetzt Marx das Ende dieses Satzes durch einen Beistrich und fügt hinzu: "... und nur der Austausch erzeugt diese Reduktion, indem er die Produkte der verschiedensten Arbeiten auf der Basis der Gleichheit aufeinander bezieht." (33) Diese Einfügung ist sehr bezeichnend und zeigt klar, wie weit Marx von der physiologischen Auffassung der abstrakten Arbeit entfernt war. Wie können wir diese Äußerungen von Marx, deren es Dutzende gibt, mit der Grundthese, daß der Wert in der Produktion erzeugt wird, in Übereinstimmung bringen? Das sollte nicht schwierig sein. Es geht darum, daß die Genossen, die das Problem des Verhältnisses zwischen Austausch und Produktion diskutierten, meiner Meinung nach nur ungenügend die zwei Begriffe des Austausches unterschieden. Wir müssen den Austausch als soziale Form des Reproduktionsprozesses vom Austausch als besonderer Phase dieses Reproduktionsprozesses unterscheiden, der von der Phase der unmittelbaren Produktion abgelöst wird. Auf den ersten Blick scheint uns der Austausch eine einzelne Phase des Reproduktionsprozesses zu sein. Wir können sehen, daß zuerst ein Prozeß in der unmittelbaren Produktion vor sich geht, dann tritt die Phase des Austausches ein. Hier ist der Austausch von der Produktion getrennt und ihr gegenübergestellt. Aber der Austausch ist nicht nur eine einzelne Phase des Reproduktionsprozesses, sondern er drückt auch dem ganzen Reproduktionsprozeß seinen spezifischen Stempel auf, er stellt auch eine besondere soziale Form des gesellschaftlichen Produktionsprozesses dar. Produktion, die auf privatem Austausch beruht, mit diesen Worten charakterisierte Marx oft die Warenproduktion. Damit Euch meine Formulierungen klarer werden, werde ich aus dem dritten Band der "Theorien über den Mehrwert" die Worte von Marx anführen, daß "Austausch von Produkten als Waren ... eine bestimmte Methode (ist), Arbeit auszutauschen, und der Abhängigkeit der Arbeit eines jeden von der Arbeit des anderen, eine bestimmte Art gesellschaftlicher Arbeit oder gesellschaftlicher Produktion." (34) Ebendort findet Ihr bei Marx eine These, die Euch erklären wird, warum er den Austausch als soziale Form der Arbeit betrachtet: "Die ganze ökonomische Struktur der Gesellschaft dreht sich um die Form der Arbeit, d.h. also die Form, worin der Arbeiter sich seine Lebensmittel aneignet. "(35) Fragen wir uns nun, in welcher Form gerade sich der Arbeiter seine Existenzmittel in einer Warenproduktion aneignet. Ihr werdet bei Marx mehrmals auf diese Frage folgende Antwort finden: In einer Warenproduktion ist die einzige Form der Aneignung der Produkte die Form ihrer Entäußerung, und weil die Form der Aneignung der Produkte die Form der gesellschaftlichen Arbeit ist, so ist die Entäußerung, der Austausch, eine spezifische Form der gesellschaftlichen Arbeit, die eine Warenproduktion charakterisiert. Wenn man in Betracht zieht, daß der Austausch die soziale Form des Produktionsprozesses selbst ist, die Form, die dem Verlauf des Produktionsprozesses selbst ihren Stempel aufdrückt, so werden einem viele Äußerungen von Marx völlig verständlich werden. Wenn Marx ständig wiederholt, daß die abstrakte Arbeit nur das Resultat des Austausches ist, so heißt das, daß sie das Resultat einer gegebenen sozialen Form des Produktionsprozesses ist. Nur in dem Maße, wie der Produktionsprozeß die soziale Form einer Warenproduktion annimmt, d.h. basierend auf dem Austausch, nimmt die Arbeit die Form einer abstrakten Arbeit an und die Arbeitsprodukte die Form des Wertes. Und so ist der Austausch die Form des ganzen Produktionsprozesses oder die Form der gesellschaftlichen Arbeit. Sobald der Austausch wirklich zur dominierenden Form des Produktionsprozesses wurde, drückte er auch der Phase der unmittelbaren Produktion seinen Stempel auf. Anders ausgedrückt, da die Menschen heute nicht den ersten Tag produzieren, da der Produzent, nachdem, er in den Akt des Austausches eingetreten war, produziert, und auch schon ehe er da eingetreten war, so nimmt auch der Prozeß der unmittelbaren Produktion bestimmte soziale Merkmale an, die der Organisation in einer Warenproduktion auf der Basis des Austausches entsprechen. Der Warenproduzent, wenn er auch noch bei sich in seiner Werkstatt ist und im Augenblick noch nicht mit anderen Mitgliedern der Gesellschaft in ein Tauschverhältnis getreten ist, fühlt schon den Druck von Seiten aller jener Personen auf sich, die auf dem Markt als seine Kunden. Konkurrenten oder Personen auftreten, die bei seinen Konkurrenten kaufen usw., und endlich auch den Druck von Seiten aller Mitglieder der Gesellschaft. Diese Produktionsverbindung und diese Produktionsverhältnisse, die unmittelbar im Austausch reguliert werden, setzen ihre Tätigkeit auch nach Aufhören der bestimmten konkreten Tauschakte fort. Sie drücken sowohl dem Individuum als auch seiner Arbeit und dem Produkt seiner Arbeit einen klaren sozialen Stempel auf. Schon im Prozeß der unmittelbaren Produktion selbst tritt der Produzent als Warenproduzent auf, seine Arbeit nimmt den Charakter der abstrakten Arbeit an und das Produkt den Charakter des Wertes. Hier muß ich mich jedoch gegen einen Fehler verwahren, der von vielen Genossen gemacht wird. Viele glauben, weil der Prozeß der unmittelbaren Produktion schon eine gewisse soziale Charakteristik hat, daß auch die Arbeitsprodukte und die Arbeit in der Phase der unmittelbaren Produktion genau solche sozialen Merkmale besitzen müßten, die sie in der Austauschphase haben. Eine solche Annahme ist in höchstem Maße falsch, obwohl beide Phasen (die Produktions- und die Tauschphase) eng miteinander verbunden sind, aber nichtsdestoweniger wird die Produktionsphase nicht zur Tauschphase. Zwischen den beiden Phasen gibt es nicht nur eine gewisse Ähnlichkeit, sondern es bleibt auch ein gewisser Unterschied erhalten. Anders ausgedrückt, einerseits anerkennen wir. daß von dem Augenblick an, wo der Austausch zur vorherrschenden Form der gesellschaftlichen Arbeit wird, die Menschen speziell für den Austausch produzieren, also schon in der Phase der unmittelbaren Produktion der Charakter der Arbeitsprodukte als Werte beobachtet werden kann. Aber dieses Merkmal der Arbeitsprodukte als Werte ist noch nicht jenes, das sie annehmen, wenn sie wirklich gegen Geld ausgetauscht werden, wenn sich ihr, wie Marx es ausdrückt, "ideeller" Wert in einen "wirklichen" verwandelt hat, und die soziale Form der Ware durch die soziale Form des Geldes ersetzt wird. Das gleiche gilt auch für die Arbeit. Wir anerkennen, daß die Warenbesitzer in ihren Arbeitsakten im Prozeß der unmittelbaren Produktion den Zustand von Markt und Nachfrage zur Kenntnis nehmen und von vornherein ausschließlich dafür produzieren, um ihr Produkt in Geld umzuwandeln und damit auch ihre private und konkrete Arbeit in gesellschaftliche und allgemeine. Aber diese Einbeziehung der Arbeit eines einzelnen in den Arbeitsmechanismus der ganzen Gesellschaft ist nur eine vorläufige und eine mutmaßliche. Sie wird im Tauschprozeß noch einer strengen Überprüfung unterzogen, die für einen bestimmten Warenproduzenten positive oder negative Resultate haben kann. So ist die Arbeitstätigkeit der Warenproduzenten in der Produktionsphase unmittelbar private und konkrete Arbeit und nur mittelbar, indirekt oder latent, wie Marx sich ausdrückt, gesellschaftliche. Deshalb, wenn wir Marx lesen, insbesondere seine Äußerungen darüber, wie der Austausch den Wert und die abstrakte Arbeit beeinflußt, müssen wir uns immer fragen, was Marx im gegebenen Fall damit meint - den Austausch als Form des Produktionsprozesses selbst, oder den Austausch als einzelne Phase, die der Produktionsphase gegenübersteht. Sofern man vom Austausch als Form des Produktionsprozesses spricht, erklärt Marx entschieden, daß es ohne Austausch keine abstrakte Arbeit, keinen Wert gibt; daß die Arbeit nur mit der Entwicklung des Austauschs den Charakter der abstrakten Arbeit annimmt. Gerade diese eindeutigen Thesen von Marx habe ich auch in meinem Buch entwickelt. Dort, wo vom Austausch als von einer einzelnen Phase die Rede ist, die der Produktion gegenübersteht, sagt Marx, daß die Arbeit und das Arbeitsprodukt noch bis zum Austauschprozeß einen bestimmten sozialen Charakter besitzen, dieser Charakter im Austauschprozeß aber erst noch realisiert werden muß. Im unmittelbaren Produktionsprozeß ist die Arbeit keine abstrakte im vollen Sinn des Wortes, sondern wird erst zur abstrakten. Und solche Äußerungen kann man in großer Zahl bei Marx finden. Ich möchte hier nur zwei Zitate aus der "Kritik" anführen. "Aber in der Tat werden die individuellen Arbeiten, die sich in diesen besonderen Gebrauchswerten darstellen, nur zu allgemeiner und in dieser Form zu gesellschaftlicher Arbeit, indem sie sich wirklich gegeneinander austauschen im Verhältnis der Zeitdauer der in ihnen enthaltenen Arbeit. "(36) An anderer Stelle schreibt Marx: "Die Waren treten sich jetzt als Doppelexistenzen gegenüber, wirklich als Gebrauchswerte, ideell als Tauschwerte. Die Doppelform der Arbeit, die in ihnen enthalten ist, stellen sie jetzt füreinander dar, indem die besondere reale Arbeit als ihr Gebrauchswert wirklich da ist, während die allgemeine abstrakte Arbeitszeit in ihrem Preise ein vorgestelltes Dasein erhält ..." (37) Marx behauptet, daß Ware und Geld ihre Verschiedenheiten nicht dadurch verlieren, daß jede Ware unbedingt in Geld umgewandelt werden muß. Jede von ihnen ist so real, wie die andere ideell ist, und so ideell wie die andere real. All diese Feststellungen von Marx beweisen, daß wir in diesem Punkt nicht zu gradlinig denken müssen. Wir sollen nicht glauben, daß wenn die Warenproduzenten schon einmal im unmittelbaren Produktionsprozeß durch bestimmte soziale Verhältnisse miteinander verbunden sind, ihre Produkte und ihre Arbeit schon einen unmittelbar gesellschaftlichen Charakter haben. Die Arbeit eines Warenproduzenten ist eine unmittelbar private und konkrete, aber gemeinsam damit bekommt sie eine zusätzliche "ideelle" oder "latente" Charakteristik als abstrakt allgemeine und gesellschaftliche Arbeit. Marx amüsierte sich immer über die Utopisten, die von der Vernichtung des Geldes träumten und an das Dogma glaubten, daß "die in (der Ware) enthaltene Sonderarbeit des Privatindividuums unmittelbar gesellschaftliche Arbeit ist". (38) So kommen wir zu folgenden Schlüssen: Die abstrakte Arbeit und der Wert werden geschaffen oder "werden" im Prozeß der unmittelbaren Produktion (Marx verwendet den Ausdruck "werden" öfter für diesen Prozeß) und werden nur im Austauschprozeß realisiert. III. Bis jetzt habe ich von der abstrakten Arbeit gesprochen. Nun möchte ich zum Wert übergehen. Was das Problem des Wertes betrifft, so ist meine Aufgabe die gleiche wie auch bei der abstrakten Arbeit. Ich bemühte mich zu beweisen, daß wir in den Begriff der abstrakten Arbeit auch die Merkmale der sozialen Organisation der Arbeit in einer Warenproduktion miteinschließen müssen. Genau so möchte ich auch beweisen, daß wir in den Begriff des Wertes unbedingt die soziale Form des Wertes miteinbe ziehen müssen, die soziale Form, die die Arbeitsprodukte in einer Warenproduktion annehmen. Die soziale Form in den Begriff der abstrakten Arbeit und in den Begriff des Wertes einzuführen, ist die Aufgabe, die nun vor uns liegt. Wie wird der Wert gewöhnlich zum Unterschied vom Tauschwert definiert? Wenn wir die populärsten und am weitesten verbreiteten Auffassungen hernehmen, so kann man wohl sagen, daß man unter Wert gewöhnlich die Arbeit versteht, die für die Produktion einer bestimmten Ware notwendig aufgewandt werden muß. Unter dem Tauschwert einer bestimmten Ware versteht man jenes andere Produkt oder jene andere Summe Geldes, gegen die eine bestimmte Ware ausgetauscht wird. Wenn ein bestimmter Tisch in dreistündiger Arbeit erzeugt wurde und gegen drei Stühle ausgetauscht wird, so sagt man gewöhnlich, daß der Wert des Tisches gleich drei Stunden Arbeit ist, seinen Ausdruck in einem anderen Produkt findet, das vom. Tisch selbst verschieden ist, eben in diesen drei Stühlen. Die drei Stühle stellen den Tauschwert des Tisches dar. Bei einer solchen populären Definition wird gewöhnlich nicht ganz klar, ob der Wert durch die Arbeit bestimmt wird, oder aber der Wert die Arbeit selbst ist. Natürlich ist es vom Standpunkt der Marxschen Theorie richtig, zu sagen, daß der Wert durch die Arbeit bestimmt wird. Aber hier stellt sich die Frage: Was ist das, der Wert, der von der Arbeit bestimmt wird? Auf diese Frage können wir gewöhnlich in populärwissenschaftlichen Darstellungen keine befriedigende Antwort finden. Deshalb kommt bei den Lesern die Vorstellung auf, daß der Wert eines Produktes nichts anderes ist, als die Arbeit, die auf seine Erzeugung verausgabt werden muß. Hier entsteht der trügerische Eindruck einer völligen Identität der Arbeit mit dem Wert. Eine solche Vorstellung ist in der antimarxistischen Literatur sehr stark verbreitet. Man kann sagen, daß der Großteil jener Mißverständnisse und Mißinterpretationen, denen wir in der antimarxistischen Literatur begegnen, auf der falschen Vorstellung beruhen, als ob bei Marx die Arbeit auch Wert wäre. Eine solche falsche Vorstellung entspringt oft dem Unverständnis für die Terminologie und den Gedanken in den Werken von Marx. Z.B. die bekannten Worte von Marx, daß der Wert "erstarrte" oder "kristallisierte" Arbeit ist, wird gewöhnlich in dem Sinne ausgelegt, daß die Arbeit auch Wert ist. Diese falsche Vorstellung wird noch durch die Zweideutigkeit des russischen Verbs für "darstellen" begünstigt. Der Wert "stellt die Arbeit dar". Aber die russische Übersetzung kann nicht nur in dem Sinn aufgefaßt werden, daß der Wert der Vertreter oder Ausdruck der Arbeit ist - eine Auffassung, die allein der Idee von Marx entspricht - sondern auch in dem Sinn, als ob der Wert Arbeit "ist". Eine solche Vorstellung ist in der kritischen Literatur, die gegen Marx gerichtet ist, weit verbreitet und natürlich völlig falsch. Jene Kritiker, die die Worte von Marx, wo er sagt, daß die Arbeit die Wertsubstanz ausmacht, im Sinne einer völligen Identität dieser beiden Begriffe auslegten, beachten nicht, daß Marx im gegebenen Fall die Terminologie bei Hegel entliehen hat. Wer die "Logik" von Hegel kennt mit ihrer Lehre vom Wesen, wird sich erinnern, daß Hegel, indem er das Verhältnis zwischen zwei Objekten, dem bestimmenden und dem zu bestimmenden, klären will, sich verschiedener Termini bedient. Zuerst sagt er, daß ein Objekt als Wesen des anderen erscheint, dann definiert er es als Grund des letzteren Objekts, weiter bezeichnet er es als Inhalt im Unterschied zur Form, danach betrachtet er dieses selbe Objekt als Substanz, als Ursache, und schließlich geht Hegel zur Betrachtung der Wechselbeziehung zwischen zwei Objekten über. Wir können hier die interessante Tatsache bemerken, daß man bei Marx diese ganze Skala von Ausdrücken, denen wir bei Hegel begegnen, angewandt auf die Arbeit finden können. Die Arbeit wird auch als Wesen des Wertes bezeichnet und als sein Grund, Inhalt, seine Substanz und seine Ursache. All diese Äußerungen müssen wir mit jenen methodologischen Prinzipien verbinden, auf denen die Lehre von Hegel beruht, und dann wird uns klar werden, daß man keinesfalls die These von Marx, daß die Arbeit die Wertsubstanz ist, im Sinne einer völligen Identität der beiden auslegen darf. Eben diese These brachte ich in meinem Buch im Kapitel über den Inhalt und die Form des Wertes vor. Meine Hauptaufgabe war es, zu beweisen, daß Arbeit nur Wertsubstanz ist, aber noch keinen Wert darstellt. Anders ausgedrückt, wenn Marxens Kritiker sagen: "Bei Marx ist die Wertsubstanz die Arbeit, folglich ist die Arbeit der Wert", so muß ich betonen, daß die Arbeit nur Wertsubstanz ist, und um den Wert im vollen Sinne des Wortes zu erhalten, wir zur Arbeit als zur Wertsubstanz noch etwas hinzufügen müssen, eben die soziale Form des Wertes. Nur dann werden wir den Wertbegriff in dem Sinne erhalten, wie wir ihn auch bei Marx finden können. Was stellt der Wert also als Einheit des Inhalts oder der Substanz (d.h. der Arbeit) und der Wertform dar? Was ist dieser Wert bei Marx zum Unterschied vom Tauschwert? Um dieses Problem beantworten zu können, müssen wir uns folgende Frage stellen: Auf welche Weise geht Marx vom Tauschwert zum Wert über? Warum hält er es für notwendig, gemeinsam mit dem Tauschwert, der in der Realität im Tauschakt erscheint, einen neuen, abstrakteren Wertbegriff zu bilden? Ihr werdet sicher wissen, daß Marx in der "Kritik der Politischen Ökonomie" noch keine klare Unterscheidung zwischen Tauschwert und Wert getroffen hatte. In der "Kritik" beginnt Marx seine Interpretation mit dem Tauschwert, und von da geht er zum Wert über (den er Tauschwert nennt). Dieser Übergang ist bei ihm sehr unmerklich, glatt und gleichsam selbstverständlich. Völlig anders gestaltet Marx diesen Übergang im "Kapital". und es ist äußerst interessant, die ersten zwei Seiten der "Kritik" mit denen im "Kapital" zu vergleichen. (39) Die ersten zwei Seiten in beiden Büchern entsprechen einander vollkommen, die Interpretation beginnt in beiden gleich mit dem Gebrauchswert und geht danach zum Tauschwert über. Den Satz, daß der Tauschwert zunächst als das quantitative Verhältnis, die Proportion erscheint, finden wir in beiden Büchern, danach aber beginnt der Text auseinanderzugehen. Wenn Marx in der "Kritik" unmerklich vom Tauschwert zum Wert übergeht, so ist es ganz im Gegenteil im "Kapital" so, als ob er auf diesem Punkt stehenbleiben würde, da er die Einwände von Seiten seiner Gegner voraussieht. Nach dem oben erwähnten Satz bemerkt Marx: "Der Tauschwert scheint daher etwas Zufälliges und rein Relatives, ein der Ware innerlicher, immanenter Tauschwert . .. also eine contradictio in adjecto." (40) Betrachten wir die Sache einmal näher. Wie Ihr sehen könnt, hatte Marx hier einen Gegner im Sinne, der beweisen wollte, daß nichts außer dem relativen Tauschwert existiert, daß der Wertbegriff in der politischen Ökonomie gänzlich überflüssig ist. Wer war dieser Gegner, auf den Marx hinwies? Ich möchte mich hier nicht so genau auslassen, aber ich nehme an, daß dieser Gegner Bailey war, der zu beweisen versuchte, daß der Wertbegriff überhaupt in der politischen Ökonomie nicht notwendig ist. und daß wir uns auf die Beobachtung und die Untersuchung einzelner Proportionen beschränken sollen, in denen die verschiedenen Waren ausgetauscht werden. Bailey hatte mit seiner oberflächlichen. doch gewitzten Kritik an Ricardo großen Erfolg und bemühte sich, die Basis für die Arbeitswerttheorie zu zerstören. Er behauptete, daß wir nicht vom Wert des Tisches sprechen können, sondern daß wir nur sagen können, daß der Tisch einmal gegen drei Stühle ausgetauscht wird, das andere Mal gegen 2 Pfund Kaffee usw. Die Wertgröße des Tisches ist etwas rein Relatives und in verschiedenen Fällen Verschiedenes. Daraus zog Bailey den Schluß, der ihn zur Aufgabe des Wertbegriffes in den Fällen führte, in denen der Wert vom relativen Wert eines bestimmten Produkts in einem bestimmten Tauschakt abweicht. Stellen wir uns folgenden Fall vor: Der Wert des Tisches ist gleich drei Stühlen. Nach einem Jahr wird dieser Tisch gegen sechs Stühle ausgetauscht. Wir glauben sagen zu können, daß obwohl sich der Tauschwert des Tisches verändert hat. sein Wert unverändert geblieben ist, und nur der Wert der Stühle ist um das Doppelte gefallen. Bailey findet diese Behauptung unsinnig. Wenn sich schon das Tauschverhältnis der Stühle zum Tisch geändert hat, so hat sich auch das Tauschverhältnis des Tisches zu den Stühlen geändert, und nur darin besteht der Wert des Tisches. Um die Lehre von Bailey zu widerlegen, hielt es Marx für notwendig, im "Kapital" die These zu entwickeln, daß der Tauschwert für uns nicht verständlich sein kann, wenn er nicht auf eine gewisse Einheit des Wertes zurückgeführt wird. Der erste Abschnitt des ersten Kapitels im "Kapital" ist der Begründung dieser Idee gewidmet, dem Übergang vom Tauschwert zum Wert und vom Wert zur Einheit, der ihm zugrundeliegt. zur Arbeit. Der zweite Abschnitt ist eine Ergänzung zum ersten, da er nur den Begriff der Arbeit näher erklärt. Wir können sagen, daß Marx von den Verschiedenheiten, die in der Sphäre der Tauschwerte zu beobachten sind, zur Einheit übergeht, die allen Tauschwerten zugrundeliegt, eben zum Wert (und schließlich zur Arbeit). Hier zeigt Marx die Fehlerhaftigkeit der Ansichten von Bailey über die Möglichkeit, unsere Untersuchung auf die Sphäre des Tauschwertes zu beschränken. Im dritten Abschnitt geht Marx den umgekehrten Weg und erklärt, wie sich der einheitliche Wert eines bestimmten Produkts in seinen verschiedenen Tauschwerten ausdrückt. Früher ging Marx von den Verschiedenheiten zur Einheit über, jetzt geht er von der Einheit zu den Differenzen. Früher widerlegte er die Lehre Baileys. jetzt ergänzt er die Lehre Ricardos, bei der der Übergang vom Wert zum Tauschwert fehlte. Um die Lehre Baileys zu widerlegen, war es notwendig, die Theorie von Ricardo weiterzuentwickeln. Und in der Tat, wurde die Absicht Baileys, zu beweisen, daß außer dem Tauschwert kein Wert existiert, durch die Einseitigkeit Ricardos erleichtert, der nicht beweisen konnte, warum der Wert in einer bestimmten Wertform erscheint. Deshalb war Marx mit zwei Aufgaben konfrontiert: l) zu beweisen, daß wir unter dem Tauschwert den Wert aufdecken müssen, und 2) zu beweisen, daß der Wert unbedingt zu verschiedenen Erscheinungsformen, zum Tauschwert führt. Im gegenwärtigen Vortrag möchte ich mich nur mit der ersten dieser zwei Aufgaben befassen, da mein Anliegen darin besteht, den Wertbegriff zu klären. Die völlige Klärung der Begriffe des Tauschwertes und des Geldes gehört nicht zu meinem Thema. Wie geht also Marx vom Tauschwert zum Wert über? Gewöhnlich glauben die Kritiker und Kommentatoren von Marx, daß sein Hauptargument in dem bekannten Vergleich des Weizens mit dem Eisen auf der dritten Seite des ersten Bandes des "Kapitals" liegt. (41) Wenn man Weizen und Eisen einander gleichsetzt, schließt Marx, so haben beide ein Gemeinsames von derselben Größe, beide müssen einem Dritten gleich sein, und dieses Dritte ist ihr Wert. Gewöhnlich wird geglaubt, daß hierin das Hauptargument von Marx liegt, und gewöhnlich sind alle kritischen Schläge der Gegner von Marx gegen diese Argumentation gerichtet. Es gibt wohl kein Werk, das gegen Marx gerichtet ist, in dem nicht darauf hingewiesen würde, daß Marx mit Hilfe einer rein abstrakten Betrachtung die Notwendigkeit des Wertbegriffes beweisen will. Was völlig unbemerkt blieb, ist folgender Umstand: Der Absatz bei Marx. der den Vergleich des Weizens mit dem Eisen behandelt, ist nicht mehr als eine Schlußfolgerung aus dem vorhergehenden Absatz, dem gewöhnlich nicht nur von den Kritikern, sondern auch von den Kommentatoren von Marx keine Aufmerksamkeit geschenkt wird. Der vorhergehende Absatz lautet: "Eine gewisse Ware, ein Quarter Weizen z.B. tauscht sich mit 20 Pfund Stiefelwichse oder mit 1,5 Meter Seide oder mit einer halben Unze Gold usw. kurz mit anderen Waren in den verschiedensten Proportionen. Aber der Tauschwert des Quarters Weizen bleibt unverändert, und drückt sich nur in der Stiefelwichse, in der Seide und im Gold aus. Folglich muß der Tauschwert einen von diesen Erscheinungsformen unterscheidbaren Inhalt haben." (42) Marx hat den angeführten Absatz sorgfältig bearbeitet und verschiedene Varianten in verschiedenen Ausgaben angegeben. Wir führten das Zitat in der russischen Übersetzung nach der deutschen Ausgabe an, die von K. Kautsky redigiert wurde. Noch klarer können wir diesen Gedanken in der zweiten Ausgabe des "Kapitals" verfolgen, wo das Ende des angeführten Absatzes lautet: "Aber da x Stiefelwichse, ebenso y Seide, ebenso z Gold usw. der Tauschwert von einem Quarter Weizen ist, müssen x Stiefelwichse, y Seide, z Gold usw. durch einander ersetzbare oder einander gleich große Tauschwerte sein. Es folgt daher erstens: Die gültigen Tauschwerte derselben Ware drücken ein Gleiches aus." (43) Anders ausgedrückt, zwei Waren, die unserer gegebenen Ware, dem Weizen, gleich sind, sind untereinander gleich. Wenn man diesen Schluß in Betracht zieht, den Marx in der angeführten Variante unterstrich, so kann man sehen, daß der folgende Absatz eine logische Folge des angeführten ist. Tatsächlich folgt aus dieser Tatsache, daß ein und dieselbe Ware in den verschiedensten Gebrauchswerten ausgedrückt werden kann. Marx kommt in dem zitierten Absatz zu dem Schluß, daß zwei Waren, die gegen ein und dieselbe Ware ausgetauscht werden, oder einem Dritten gleich sind, untereinander gleich sind. Daraus folgt mit der Notwendigkeit der Logik auch der umgekehrte Schluß, zu dem Marx im folgenden Absatz kommt: Wenn zwei Waren untereinander gleich sind. so sind sie einem Dritten gleich. Eben diesen Gedanken äußert Marx in dem Absatz, wo er den Weizen mit dem Eisen vergleicht. Und so ist die These von Marx, daß zwei Waren, die untereinander gleich sind, auch irgend einem Dritten gleich sein müssen, nur eine Schlußfolgerung aus der vorhergehenden These, laut der zwei Waren, die einem Dritten gleich sind, untereinander gleich sind. Nur die Vereinigung der beiden Absätze gibt den wahren Sinn der Argumentation von Marx wieder. Der Ausgangspunkt seiner ganzen Argumentation besteht in der Konstatierung einer allen bekannten Tatsache, die einer Warenproduktion zueigen ist, der Tatsache der allseitigen Gleichsetzung aller Waren miteinander und der Möglichkeit der Angleichung einer bestimmten Ware an die unendliche Vielzahl aller anderen Waren. Anders ausgedrückt, der Ausgangspunkt aller Überlegungen von Marx ist die konkrete Struktur einer Warenproduktion, und keineswegs die rein logische Vergleichsweise zweier Waren miteinander . Und so geht Marx von der Tatsache der allseitigen Gleichsetzung aller Waren miteinander aus, oder von der Tatsache, daß jede Ware an eine Vielzahl anderer Waren angeglichen werden kann. Jedoch ist diese Voraussetzung für alle Schlußfolgerungen von Marx noch nicht genug. Diesen liegt noch eine "stille" Voraussetzung zugrunde, die Marx an anderer Stelle äußerte. Die zweite Voraussetzung besteht im folgenden: Wir nehmen an, daß der Austausch eines Quarters Weizen gegen eine beliebige andere Ware ein Austausch ist, der einer bekannten Gesetzmäßigkeit unterliegt, und die Gesetzmäßigkeit dieser Tauschakte besteht in ihrer Abhängigkeit vom Produktionsprozeß. Wir lehnen die Vermutung ab, daß der Quarter Weizen gegen eine beliebige Menge Eisen, Kaffee usw. ausgetauscht werden kann. Wir können nicht mit der Annahme übereinstimmen, daß jedesmal im Tauschakt selbst Proportionen für den Austausch aufgestellt werden, die völlig zufälligen Charakter haben. Dagegen behaupten wir, daß all diese Möglichkeiten für eine bestimmte Ware, gegen eine andere ausgetauscht zu werden, einer bestimmten Gesetzmäßigkeit unterliegen, einer Gesetzmäßigkeit, die ihre Basis im Produktionsprozeß hat. In diesem Fall nimmt die ganze Argumentation von Marx folgende Form an: Marx sagt: Nehmen wir nicht den zufälligen Austausch zweier Waren, Weizen und Eisen, sondern nehmen wir den Austausch in der Form an, wie er wirklich in einer Warenproduktion vor sich geht, und da werden wir sehen, daß jeder Gegenstand allseitig mit allen anderen Gegenständen gleichgesetzt werden kann; anders ausgedrückt, wir können eine unendliche Vielzahl von Proportionen des Austauschs eines gegebenen Produkts mit allen anderen beobachten. Aber diese Austauschproportionen sind keine zufälligen, es sind gesetzmäßige, und ihre Gesetzmäßigkeit wird durch Ursachen bestimmt, die dem Produktionsprozeß zugrundeliegen. So gelangen wir zu dem Schluß, daß unabhängig davon, daß der Wert eines Quarters Weizen einmal in zwei Pfund Kaffee, ein anderes Mal in drei Stühlen usw. ausgedrückt wird, dieser Wert eines Quarters Weizen in allen anderen Fällen ein und derselbe bleibt. Wenn wir annehmen würden, daß in jeder der unzähligen Austauschproportionen ein Quarter Weizen einen anderen Wert hat, und die Behauptungen von Bailey laufen darauf hinaus, so würden wir anerkennen, daß ein völliges Chaos in den Erscheinungen der Preisbildung herrscht, in jener großartigen Erscheinung des Austauschs von Produkten, durch und vermittels welcher ein allseitiger Zusammenhang aller Arbeitsarten hergestellt wird. Aus diesem Gedankengang von Marx, der ihn vom Tauschwert zum Wert führte, können wir folgende Schlüsse ziehen. Zu einem Schluß bin ich schon früher gelangt, als ich darauf hinwies, daß Marx die Warenproduktion mit der ihr eigenen allseitigen Gleichsetzung aller Produkte zum Ausgangspunkt seiner Untersuchung macht, eine Gleichsetzung, die eng mit dem Ablauf des Produktionsprozesses verbunden ist. Marx geht nicht vom ausgedachten Beispiel eines zufälligen Vergleichs von zwei Waren aus und auch nicht von einer rein logischen Analyse aller Merkmale, die ihnen gemeinsam sein können, sondern von der realen Form des Austauschs von Produkten, der für eine Warenproduktion charakteristisch ist. Unsere zweite Schlußfolgerung läuft auf folgendes hinaus: Wenn Marx Weizen mit Eisen vergleicht, so findet er in beiden etwas "Gemeinsames", und in diesem "Gemeinsamen" erkennt er den Wert der Produkte. In der Populärliteratur kann man keine klare Antwort auf die Frage finden, was das "Gemeinsame" in den austauschbaren Produkten, über das Marx spricht, ist. Manchmal wird dieses Gemeinsame richtig als Wert betrachtet, manchmal wird es jedoch mit Arbeit identifiziert. Wenn wir uns nun Marx zuwenden, so werden wir auf der fünften Seite des "Kapitals" eine klare Antwort auf diese Frage finden: ''Das Gemeinsame, was sich im Austauschverhältnis oder Tauschwert der Ware darstellt, ist also ihr Wert." (44) Marx geht folglich vom Tauschwert nicht unmittelbar zur Arbeit über. Vom Tauschwert geht er zum Wertbegriff über und nur mit Hilfe einer weiteren Analyse vom Begriff des Wertes zur Arbeit. Der Gedankengang von Marx geht streng genommen in drei Stufen vor sich: vom Tauschwert zum Wert und vom Wert zur Arbeit. Den Schluß, den ich daraus ziehen möchte, läuft auf das hinaus, worüber ich schon früher gesprochen habe, daß man den Begriff des Wertes streng vom Begriff der Arbeit unterscheiden muß, obwohl wir geneigt sind, besonders in populären Interpretationen, diese für identisch zu erklären. Aber was ist nun dieser Wert, den wir mittels Abstraktion jener konkreten Austauschproportionen erhielten, in denen unser Quarter Weizen mit den anderen Produkten gleichgesetzt wird? Obwohl wir jetzt von jenen konkreten Produkten abstrahieren, gegen die unser Quarter Weizen ausgetauscht wird, abstrahieren wir trotzdem nicht von der sozialen Form des Wertes, den dieser Quarter Weizen besitzt, d.h. wir behaupten, daß unser Quarter Weizen die Fähigkeit hat, in einer bestimmten Proportion gegen ein beliebiges anderes Produkt ausgetauscht zu werden, das es in der bestimmten Gesellschaft gibt. Weiter betrachten wir die Fähigkeit einer Ware zum Austausch als ihr Merkmal, das bestimmten Gesetzen unterworfen ist, und insbesondere eng mit den Herstellungsbedingungen einer bestimmten Ware verbunden ist. Anders ausgedrückt, zu unserem Begriff des Wertes des Weizens gehört nicht mehr nur allein der Begriff der gesellschaftlichen Arbeit, die zu ihrer Herstellung notwendig ist. Dazu gehört der Begriff der gesellschaftlichen Arbeit, der "Sachform" annimmt, die Form einer besonderen Eigenschaft eines Produkts. Hierher gehört auch "der Wertinhalt" und die "Wertform". Um zu beweisen, daß Marx den Wert von der Arbeit als Wertinhalt unterscheidet, möchte ich nur ein Zitat anführen: "Das Arbeitsprodukt ist in allen gesellschaftlichen Zuständen Gebrauchsgegenstand, aber nur eine historisch bestimmte Entwicklungsepoche, welche die in der Produktion eines Gebrauchsdings verausgabte Arbeit als seine ' gegenständliche' Eigenschaft darstellt, d.h. als seinen Wert. verwandelt das Arbeitsprodukt in Ware." (45) Zum Begriff des Wertes gehört auf diese Weise auch der Inhalt des Wertes (d.h. die Arbeit) und die soziale Wertform. Was ist nun diese "Form des Wertes", die zum Unterschied vom Tauschwert zum Begriff des Wertes selbst gehört? Ich möchte nur noch eine sehr deutliche Definition der Wertform aus der ersten Ausgabe des "Kapitals" anführen: "Gesellschaftliche Form der Ware und Wertform oder Form der Austauschbarkeit sind also eins und dasselbe." (46) Wie zu ersehen ist, wird als Wertform die Form der Austauschbarkeit oder die soziale Form. des Arbeitsproduktes bezeichnet, die in sich die Fähigkeit birgt, gegen beliebige andere Waren ausgetauscht zu werden, sofern diese Fähigkeit durch die Quantität der Arbeit bestimmt wird, die zur Herstellung einer bestimmten Ware notwendig ist. Auf diese Weise gingen wir nicht von der sozialen Form des Arbeitsprodukts ab, als wir vom Tauschwert zum Wert übergingen. Wir abstrahierten nur von jenem konkreten Produkt, in dem sich der Wert einer Ware ausdrückt, aber wir hatten dabei immer die soziale Form des Arbeitsprodukts vor Augen. Unsere Schlußfolgerung kann auch auf folgende Weise formuliert werden: Marx analysiert die "Wertform" getrennt vom Tauschwert. Um in den Begriff des Wertes selbst die soziale Form des Arbeitsprodukts einzuführen, waren wir gezwungen, gleichsam eine Aufspaltung oder eine Zweiteilung der sozialen Form des Arbeitsprodukts in zwei Formen durchzuführen: in die Wertform und den Tauschwert, wobei unter der ersten die soziale Form des Produkts zu verstehen ist, die sich noch nicht in einer bestimmten Sache konkretisiert hat, sondern gleichsam die abstrakte Eigenschaft einer Ware darstellt. Gerade diese Unterscheidung der Wertform vom Tauschwert erklärte ich auch in meinem Buch. Es ist wahr, daß ich die beiden dort als qualitative und quantitative Seite des Tauschwerts betrachtete. Ich habe das hauptsächlich deshalb gemacht, weil bei Marx an einigen Stellen die Termini Wertform und Tauschwert fast nicht voneinander unterschieden werden. Eine völlige Identifizierung der Wertform mit dem qualitativen Aspekt und des Tauschwertes mit dem quantitativen kann nicht als richtig angesehen werden, da beide Begriffe sowohl von ihrer qualitativen als auch von ihrer quantitativen Seite her betrachtet werden müssen. Diese Frage hat keinen direkten Bezug auf unser Thema und deshalb werde ich mich hier auch nicht weiter aufhalten. Ich möchte nur bemerken, daß gerade diese Zweiteilung der sozialen Form des Produkts, die Wertform und der Tauschwert, in meinem Buch ausführlich behandelt wird, in Übereinstimmung mit der von mir selbst gestellten Aufgabe. Ich mußte in den Begriff des Wertes selbst die Merkmale der sozialen Form des Arbeitsprodukts einführen und damit die Unzulässigkeit einer Identifizierung des Wertbegriffes mit dem Begriff der Arbeit beweisen, einer Identifizierung, zu der oft populärwissenschaftliche Darstellungen der Marxschen Lehre greifen. Anders ausgedrückt: ich mußte beweisen, daß der Wert nicht nur aus der Wertsubstanz (d.h. der Arbeit), sondern auch aus der "Wertform" besteht, und um die Wertform in den Begriff des Wertes selbst einzuführen, mußte ich sie vom Tauschwert unterscheiden, den Marx getrennt vom Wert betrachtet. Ich mußte die soziale Form des Produkts in zwei Teile gliedern: in die soziale Form, die noch kein konkretes Aussehen angenommen hatte, und in eben jene Form, die schon eine konkrete und selbständige Art angenommen hatte. Jetzt, wo die Unterscheidung zwischen der Wertform und dem Tauschwert geklärt ist, möchte ich mich dem Begriff des Wertes zuwenden und das Verhältnis zwischen seinen verschiedenen Aspekten verfolgen: zwischen dem Wertinhalt oder der Wertsubstanz und der Wertform. Welches Verhältnis existiert zwischen Arbeit und jener sozialen Wertform, mit der ich mich befaßte? Die allgemeine Antwort auf diese Frage lautet: Die Wertform ist die adäquate und genaue Form des Ausdrucks des Wertgehalts (d.h. der Arbeit). Um diesen Gedanken zu erklären, müssen wir zu einem früheren Beispiel zurückkehren: Ein Tisch wird gegen drei Stühle ausgetauscht. Wir sagen, daß dieser Tauschprozeß einer bestimmten Gesetzmäßigkeit unterworfen ist und von der Entwicklung und den Veränderungen der Arbeitsproduktivität abhängt. Aber der Tauschwert ist eine solche soziale Form des Produkts, die nicht nur die Veränderungen der Arbeit ausdrückt, sondern auch diese Veränderungen verdeckt und verschleiert. Er verdeckt sie aus dem einfachen Grund. daß der Tauschwert das Verhältnis zwischen zwei Waren ist, zwischen dem Tisch und den Stühlen, und deshalb sagt uns die Veränderung der Tauschproportion zwischen diesen zwei Gegenständen nichts darüber, ob die Arbeit sich wirklich verändert hat, die auf die Herstellung des Tisches aufgewandt wurde. Wenn der Tisch nach Ablauf von einiger Zeit schon gegen sechs Stühle ausgetauscht werden kann, hat sich der Tauschwert des Tisches verändert, während der Wert des Tisches selbst sich vielleicht um keine Jota verändert hat. Um den Prozeß der Abhängigkeit der Veränderung der sozialen Form des Produkts von der Quantität der Arbeit, die auf die Herstellung des Produkts aufgewandt wurde, in Reinform zu untersuchen, mußte Marx die vorhandene Erscheinung in zwei Teile teilen, sie durchschneiden und sagen, daß wir jene Ursachen getrennt untersuchen müssen, die den Wert des Tisches bestimmen, und jene, die den Wert der Stühle bestimmen; und daß ein und dieselbe Erscheinung des Tausches (eben die Tatsache, daß der Tisch jetzt gegen sechs Stühle anstatt gegen drei ausgetauscht werden kann) entweder aus Gründen hervorgerufen werden kann, die auf Seiten des Tisches liegen, oder aus Gründen, die in den Herstellungsbedingungen der Stühle wurzeln. Um die Tätigkeit jeder dieser kausalen Ketten getrennt zu untersuchen, mußte Marx die Tatsache der Veränderung des Tauschwertes des Tisches in zwei Teile aufspalten und annehmen, daß diese Veränderungen ausschließlich aus Gründen hervorgerufen werden, die auf Seiten des Tisches zur Auswirkung kommen, d.h. durch eine Veränderung der Produktivität der Arbeit, die zur Herstellung des Tisches notwendig ist. Anders ausgedrückt, er mußte annehmen, daß alle anderen Waren, gegen die unser Tisch ausgetauscht wird, ihren früheren Wert bewahren. Nur bei dieser Annahme folgt die Veränderung des Wertes des Tisches der Veränderung der Quantität der Arbeit, die zu seiner Herstellung notwendig ist. und die soziale Form des Wertes erweist sich als ganz genauer und adäquater Ausdruck des Wertinhalts oder der Wertsubstanz (d.h. der Quantität der Arbeit, die im Herstellungsprozeß aufgewandt wird). Dank der Bestimmung des Wertes als Einheit von Inhalt (d.h. Arbeit) und sozialer Wertform, gibt es für uns folgende Vorteile. Wir können sofort mit der weitverbreiteten Identifizierung des Wertes mit der Arbeit brechen und so richtiger das Verhältnis des Wertbegriffs zum Arbeitsbegriff bestimmen. Andererseits können wir auch das Verhältnis Wert und Tauschwert korrekter bestimmen. Früher, als der Wert einfach als Arbeit betrachtet wurde und noch keine genauere soziale Charakteristik erhalten hatte, wurde dieser Wert einerseits mit der Arbeit identifiziert und andererseits vom Tauschwert durch eine Kluft getrennt. Im Wertbegriff sahen die Ökonomen oft eben nur die Arbeit und konnten von diesem Begriff nicht zum Begriff des Tauschwertes übergehen. Jetzt, da wir den Wert als Einheit von Inhalt und Form betrachten, verbinden wir durch den Inhalt den Wert mit dem vorhergehenden Begriff, mit der Arbeit, aber andererseits verbinden wir den Wertbegriff durch die Wertform schon mit dem folgenden, dem Tauschwert. In der Tat, wenn wir behaupten. daß der Wert nicht Arbeit allgemein ist, sondern Arbeit, die die Form der Austauschbarkeit des Produkts angenommen hat, so müssen wir vom Wert unbedingt zum Tauschwert übergehen. So ist der Wertbegriff unzertrennlich einerseits mit dem Arbeitsbegriff und andererseits mit dem Begriff des Tauschwertes verbunden. Aber diese unzertrennliche Verbindung all dieser Begriffe sollte nicht zu ihrer Identifizierung führen. Wir betrachten den Wert als gesellschaftliche Arbeit, die die Form einer "vergegenständlichten" Eigenschaft des Arbeitsprodukts angenommen hat, oder als Eigenschaft des Produkts, gegen ein beliebiges anderes Produkt ausgetauscht werden zu können, insofern diese Eigenschaft des Produkts von der Quantität der gesellschaftlichen Arbeit, die zu seiner Herstellung notwendig ist, abhängt. Zum Abschluß möchte ich noch feststellen, daß die Fähigkeit der Aufspaltung der sozialen Form des Produkts in zwei Teile (die Wertform und den Tauschwert, von denen die erste selbst zum Wertbegriff gehört, während der Tauschwert nur eine Erscheinungsform des Wertes ist), vielleicht an ein ana-*loges Verfahren bei Hegel erinnert. Obwohl Marx im gegebenen Fall nirgends auf einen Zusammenhang seines Konzepts mit der Philosophie Hegels hinweist, kann man eine wesentliche Ähnlichkeit zwischen der Aufspaltung der sozialen Form des Produkts bei Marx und der Lehre Hegels über die "Verdoppelung der Form" finden. Ich möchte hier einige Zeilen aus der sogenannten kleinen "Logik" von Hegel anführen: "Bei dem Gegensatz von Form und Inhalt ist wesentlich festzuhalten, daß der Inhalt nicht formlos ist, sondern eben sowohl die Form in ihm selbst hat, als sie ihm ein Äußerliches ist. Es ist die Verdoppelung der Form vorhanden, die das eine mal als in sich reflektiert den Inhalt, das andere mal als in sich reflektiert die äußerliche dem Inhalt gleichgültige Existenz ist." (47) Ich glaube, daß die von Marx durchgeführte Unterscheidung zwischen "Wertform", die im Wert selbst eingeschlossen ist, und "Tauschwert", der etwas 'Äußerliches", "Unbestimmtes" in bezug auf den Wert darstellt, Ähnlichkeit mit der Verdopplung der Form hat, die uns bei Hegel begegnet. Jetzt möchte ich zum letzten Teil meines Vertrages übergehen, zur Frage über den Inhalt oder die Substanz des Wertes. Alle Marxisten stimmen darin überein, daß die Arbeit den Inhalt des Wertes bildet, aber das Problem liegt darin, von welcher Arbeit denn hier die Rede ist. Schon aus dem vorhergehenden Teil des Vertrages kann man sich davon überzeugen, welche unterschiedlichen Begriffe sich hinter dem Wort "Arbeit" verbergen können. Welche Arbeit also bildet den Inhalt des Wertes? Die Mehrheit der Leser wird mich in dem Sinn aufgefaßt haben, daß ich unter dem Inhalt des Wertes die Arbeit in ihrer materiell technischen Form verstehe. Ich gebe zu, daß man mich so verstehen könnte, da in meinem Buch "Studien zur Marxschen Werttheorie" ungefähr solche Formulierungen zu finden sind. Nichtsdestoweniger muß ich festhalten, daß in meinem Buch in ein und demselben Kapitel über den Inhalt und die Form des Wertes nicht einmal, sondern dreimal Formulierungen zu finden sind, die zeigen könnten, daß ich auf jeden Fall unter dem Inhalt des Wertes nicht die Arbeit verstand, die ausschließlich von ihrer materiell technischen Seite untersucht wird. (48) Auf den Seiten 89 - 9o schrieb ich: "Die Arbeit als Wertsubstanz wird von Marx nicht als bestimmte Quantität von Arbeit betrachtet, als sich selbst genommen, sondern als etwas "Eigenständiges und Absolutes", als etwas im Produkt Angesammeltes und materiell Vergegenständlichtes. Diese Arbeit wird vom Standpunkt des Teilungsprozesses der gesellschaftlichen Arbeit zwischen den einzelnen Produktionszweigen untersucht und als Teil der gesamten gesellschaftlichen Arbeit genommen, in ihrem Verhältnis zur letzteren wie zum Ganzen." An anderer Stelle (S. 85) zitiere ich die Worte von Marx über den Wert als "Form, in der sich die proportionale Teilung der Arbeit äußert." Schließlich, der endgültige Schluß, zu dem ich im erwähnten Kapitel komme, lautet: "Von der qualitativen Seite her betrachtet, bedeutet das Verhältnis zwischen Arbeit als "Wertsubstanz" und "Wertform" das Verhältnis zwischen dem Teilungsprozeß der Arbeit und seiner spezifischen, sozialen und eben "Warenform". (S. 91). Die angeführten Zitate geben mir das Recht zu behaupten, daß ich mit dem Inhalt des Wertes wirklich nicht die Arbeit meinte, die ausschließlich von der materiell technischen Seite betrachtet wird, sondern meine Idee näherte sich an jenen Begriff der sozial gleichgesetzten und geteilten Arbeit an, über den ich früher sprach. Unter dem Wertinhalt verstand ich Arbeit, die als Teil der gesamten gesellschaftlichen gleichgesetzten und geteilten Arbeit aufgefaßt wird. Aber dieser Begriff, den man an vielen Stellen in meinem Buch finden kann, wurde von mir nicht genügend ausgeführt und bedurfte einer ernstlichen Korrektur. Erst im gegenwärtigen Vortrag nahm ich eine scharfe Abgrenzung zwischen der sozial gleichgesetzten Arbeit allgemein (die nicht nur in einer Warenproduktion, sondern auch z.B. im Sozialismus existiert) und der abstrakt allgemeinen Arbeit vor, als Arbeit, die in der spezifischen Form. die einer Warenproduktion zueigen ist, gleichgesetzt ist. Jetzt möchte ich die Frage stellen: Versteht Marx unter dem Inhalt des Wertes die sozial gleichgesetzte Arbeit allgemein oder aber die abstrakt allgemeine? Mit anderen Worten, wenn wir von der Arbeit als vom Inhalt des Wertes sprechen, schließen wir in den Begriff der Arbeit alle jene Merkmale ein, die ich weiter oben in den Begriff der abstrakten Arbeit mit-einbezog, oder fassen wir die Arbeit im Sinne der sozial gleichgesetzten Arbeit auf, die in sich nicht jene Merkmale einschließt, die die soziale Organisation der Arbeit in einer Warenproduktion charakterisieren. Fällt der Begriff der Arbeit als Inhalt des Wertes mit dem Begriff der abstrakten Arbeit, die den Wert bildet, zusammen, oder aber hat der erste Begriff einen breiteren Charakter? Auf den ersten Blick wird man bei Marx Argumente zugunsten beider Bedeutungen des "Wertinhalts" finden. Einerseits wird man Argumente finden, die schembar besagen, daß wir unter Arbeit als den Inhalt des Wertes etwas Geringeres als die abstrakte Arbeit verstehen müßen, d.h. die Arbeit außerhalb aller jener sozialen Merkmale, die ihr in einer Warenproduktion zueigen sind. Welche Argumente können wir finden, die für eine solche Lösung des Problems sprechen? Man kann oft finden, daß Marx unter dem Inhalt des Wertes etwas versteht, das nicht nur die soziale Form des Wertes annehmen kann, sondern auch eine andere soziale Form. Unter dem Inhalt wird etwas verstanden, das fähig ist, unterschiedlich soziale Formen anzunehmen. Durch eben eine solche Fähigkeit zeichnet sich die sozial gleichgesetzte Arbeit aus, aber nicht die abstrakte, d.h. die Arbeit, die schon eine gewisse soziale Form angenommen hat. Die sozial gleichgesetzte Arbeit kann die Form von Arbeit annehmen, die in einer Warenproduktion organisiert wurde, und die Form von Arbeit, die z.B. die in einer sozialistischen Produktion organisiert ist. Anders ausgedrückt, im gegebenen Fall fassen wir die sozial gleichgesetzte Arbeit in ihrer abstrakten Form auf und lassen jene Modifikationen beiseite. die im Inhalt selbst (d.h. in der Arbeit) durch die eine oder andere seiner Form hervorgerufen werden. Gibt es bei Marx den Begriff des Wertinhalts in diesem Sinn? Wir können diese Frage nun positiv beantworten. Denken wir z.B. an die Worte von Marx, wo er sagt, daß der "Tauschwert eine bestimmte gesellschaftliche Manier ist, die auf ein Ding verwandte Arbeit auszudrücken." (49) Offensichtlich wird hier die Arbeit als abstrakter Inhalt betrachtet. der die eine oder andere soziale Form annehmen kann. Wenn Marx in dem bekannten Brief an Kugelmann vom 11. Juli 1868 sagt, daß die gesellschaftliche Teilung der Arbeit sich in einer Warenproduktion in Form des Wertes äußert, betrachtet er wiederum die gesellschaftlich geteilte Arbeit als Inhalt, der diese oder jene soziale Form annehmen kann. Im zweiten Absatz des Abschnitts über den Warenfetischismus erklärt Marx geradezu, daß wir den "Inhalt der Wertbestimmungen" nicht nur in einer Warenproduktion finden können, sondern auch z.B. in einer patriarchalischen Familie oder auf einem mittelalterlichen Gut. Und hier stellt die Arbeit, wie wir sehen, einen Inhalt dar, der verschiedene soziale Formen annehmen kann. Ich möchte jetzt ein Argument zugunsten der gegenteiligen These anführen, laut der wir unter dem Inhalt des Wertes die abstrakte Arbeit verstehen müssen. Erstens werden wir bei Marx einige Äußerungen finden, die das bestätigen. z.B. folgende: "Sie (die Waren) beziehen sich damit zugleich auf die abstrakte menschliche Arbeit als ihre gemeinsame gesellschaftliche Substanz." (50) Diese Feststellung läßt keinen Zweifel darüber zu, daß die abstrakte Arbeit nicht nur ein Werterzeuger ist, sondern auch Wertsubstanz oder Inhalt des Wertes. Zu diesem Schluß gelangen wir aufgrund methodologischer Überlegungen. Ich habe früher bewiesen, daß die sozial gleichgesetzte Arbeit in einer Warenproduktion die Form der abstrakten Arbeit annimmt, und nur aus dieser abstrakten Arbeit entspringt notwendigerweise der Wert als soziale Form der Arbeitsprodukte. Daraus folgt, daß der Begriff der abstrakten Arbeit in unserem System unmittelbar dem Wertbegriff vorangegangen war, und das würde beweisen, daß wir gerade diesen Begriff der abstrakten Arbeit als Basis, Inhalt oder Substanz des Wertes auffassen müssen. Aber man darf auch nicht vergessen, daß Marx in der Frage des Verhältnisses zwischen Inhalt und Form auf dem Standpunkt Hegels stand und nicht auf dem Kants. Kant betrachtet die Form als etwas Äußerliches in bezug auf den Inhalt und etwas, das sich von außen an ihn anschließt. Vom Standpunkt der Hegeischen Philosophie aus, stellt der Inhalt nicht etwas dar, an das sich die Form von außen anschließt, sondern der Inhalt selbst, indem er sich entwickelt, gebiert diese Form, die in eben diesem Inhalt in versteckter Form enthalten war. Die Form entspringt notwendigerweise dem Inhalt selbst. Das ist die Hauptthese der Hegeischen und Marxschen Methodologie, eine These, die zur Kantianischen Methodologie im Widerspruch steht. Von diesem Standpunkt aus muß aus der Wertsubstanz notgedrungen auch die Wertform entspringen, und folglich müssen wir die abstrakte Arbeit als die Wertsubstanz ansehen, in der ganzen Fülle ihrer sozialen Bestimmtheiten, die für eine Warenproduktion charakteristisch sind. Und schließlich, als letztes Argument, wollen wir darauf hinweisen, daß, wenn wir die abstrakte Arbeit als den Inhalt des Wertes betrachten, damit eine wesentliche Vereinfachung des ganzen Marxschen Systems erreichen werden, da in diesem Fall die Arbeit als Inhalt des Wertes nicht von der Arbeit unterschieden wird. die den Wert bildet. Wir haben das paradoxe Resultat erreicht, daß Marx als Inhalt des Wertes einmal die sozial gleichgesetzte Arbeit anerkennt, ein anderes Mal die abstrakte Arbeit. Wie können wir diesen Widerspruch auflösen? Mir scheint, daß dieser Widerspruch verschwindet, wenn wir uns an den Gegensatz zwischen den beiden Methoden, der analytischen und der dialektischen, erinnern, über die ich am Beginn meines Vertrages sprach. Wenn wir vom Wert ausgehen, als von einer bestimmten sozialen Form, und uns die Frage stellen, was der Inhalt dieser Form ist, so wird sich zeigen, daß diese Form nur allgemein die Tatsache ausdrückt, daß gesellschaftliche Arbeit verausgabt wurde: der Wert erweist sich als Form, die die Tatsache der sozialen Gleichsetzung der Arbeit ausdrückt, als Tatsache, die nicht nur in einer Warenproduktion vorkommt, sondern auch in einer anderen Produktion vor sich gehen kann. Indem wir uns auf analytischem Wege von der fertigen Form zu ihrem Inhalt begeben haben, finden wir die sozial gleichgesetzte Arbeit als Inhalt des Wertes. Aber wir gelangen zu einem anderen Schluß, wenn wir nicht die fertige Form zum Ausgangspunkt unserer Untersuchung nehmen, sondern den Inhalt selbst (d.h. die Arbeit), aus dem notwendig die Form (der Wert) entspringen muß. Um von der Arbeit, die als Inhalt betrachtet wird, zum Wert überzugehen, als zur Form, müssen wir in den Begriff der Arbeit die soziale Form ihrer Organisation in einer Warenproduktion miteinschließen, d.h. die abstrakt allgemeine Arbeit als Inhalt des Wertes erkennen. Es ist möglich, daß gerade durch die Unterscheidung dieser beiden Methoden sich auch der scheinbare Widerspruch in der Definition des Wertinhalts erklärt, dem wir bei Marx begegnen. Wenn wir die weiter oben in unserem Vortrag erwähnte Darlegung zusammenfassen, so können wir sagen, daß die Grundbegriffe, auf denen die Marxsche Wert- und Geldtheorie beruht, aus folgenden fünf Begriffen bestehen: 1) die Produktionsverhältnisse der Warenproduzenten, 2) die abstrakte Arbeit, 3) der Wert, 4) der Tauschwert und 5) das Geld. Engels wies in seinem Artikel über die "Kritik der Politischen Ökonomie" von Marx darauf hin, daß das Verdienst von Marx darin besteht, daß er uns das ganze System der bürgerlichen Ökonomie in seinem inneren Zusammenhang zeigte. (51) Angewandt auf die fünf aufgezählten Kategorien besteht das Verdienst von Marx darin, daß er uns den inneren unzertrennlichen Zusammenhang aller dieser Kategorien zeigte. Leider entglitt dieser Zusammenhang oft der Aufmerksamkeit der Leser, und die aufgezählten Kategorien wurden jede einzeln betrachtet. Erinnern wir uns, wie man sich gewöhnlich das Verhältnis zwischen den aufgezählten fünf Kategorien vorstellte . Beginnen wir mit den Produktionsverhältnissen der Warenproduzenten. Das war ein Begriff, der jedem Marxisten bekannt war. Alle wußten, daß die Lehre von den Produktionsverhältnissen der Menschen die Basis der Marxschen ökonomischen Theorie ist. Es wurde dabei jedoch nicht klar genug versucht zu zeigen, wie aus den menschlichen Produktionsverhältnissen jene Kategorien entsprangen, über die ich sprach. Deshalb kam es, als ich zur abstrakten Arbeit überging, zu einem völligen Bruch zwischen dem ersten und dem zweiten Begriff. Die abstrakte Arbeit wurde als physiologisch gleiche Arbeit bestimmt, d.h. die Form der Produktionsverhältnisse der Menschen als Warenbesitzer war völlig verworfen worden. Diese Form war von uns vergessen worden, und wir befanden uns plötzlich in der Sphäre der physiologisch gleichen Arbeit, die für alle historischen Epochen die gleiche ist. Indem wir vom Begriff der abstrakten Arbeit zum Begriff des Wertes übergingen, muß ich sagen, daß diese zwei Begriffe in der marxistischen Literatur immer eng miteinander verbunden waren. Es wäre wirklich höchst seltsam, wenn die Anhänger der Arbeitswerttheorie den Begriff der Arbeit nicht mit dem Wertbegriff verbinden würden. Aber diese Verbindung ist eben dadurch teuer erkauft worden, daß der Wert fast mit der Arbeit identifiziert wurde, und es war nicht klar, wodurch sich eigentlich der Wert von der Arbeit unterscheidet. Beim. weiteren Übergang vom Wert zum Tauschwert gab es wieder einen Bruch. Der Wert wurde mit der Arbeit identifiziert, und deshalb wußten wir auch nicht, wie der Tauschwert aus dem Wert entsteht. Endlich, der Zusammenhang zwischen dem Begriff des Tauschwertes und dem des Geldes war in der marxistischen Literatur schon immer ein sehr beständiger, da Marx diesen Zusammenhang unterstrich und ihn besonders bekräftigte. Auf diese Weise wurden die oben aufgezählten fünf Kategorien in drei Gruppen aufgespalten. In der ersten Gruppe waren die Produktionsverhältnisse der Warenproduzenten, in der zweiten die abstrakte Arbeit Und der Wert und in der dritten der Tauschwert und das Geld. Das System der aufgezählten fünf Kategorien war nur an zwei Stellen unterbrochen, und zwar an der Stelle, wo wir von den Produktionsverhältnissen zur abstrakten Arbeit, und dort, wo wir vom. Wert zum Tauschwert übergehen mußten. Diese Unterbrechungen verschwinden, wenn wir die abstrakte Arbeit als Arbeit betrachten, die eine bestimmte soziale Form besitzt, und wenn wir unter dem Wert die Einheit von Inhalt und Form verstehen. Durch diese zwei Umformungen erhalten wir einen ununterbrochenen logischen Zusammenhang aller aufgezählten Kategorien. Aus einer bestimmten Form der Produktionsverhältnisse der Menschen als Warenproduzenten entspringt der Begriff der abstrakten Arbeit. Aus der abstrakten Arbeit, die nicht als physiologisch gleiche Arbeit, sondern als in einer spezifischen Form sozial gleichgesetzte angesehen wird, die einer Warenproduktion zueigen ist, entspringt notwendigerweise der Wertbegriff. Der Wertbegriff, der als Einheit von Inhalt und Form betrachtet wird, ist durch seinen Inhalt mit dem vorhergehenden Begriff der abstrakten Arbeit und durch seine Form mit dem folgenden Begriff des Tauschwerts verbunden. Endlich, führt die Entwicklung des Tauschwerts notgedrungen zum Geld. Es wäre nicht in meinem Sinne, wenn der von mir erwähnte Zusammenhang all dieser Kategorien sich Euch als irgendeine logische Eigenbewegung der Begriffe darstellt, die einander erzeugen. Der erwähnte enge Zusammenhang der Begriffe, die logisch einer aus dem anderen folgen, ist dadurch zu erklären, daß alle diese Begriffe auf den Begriff der Produktionsverhältnisse der Menschen als Warenbesitzer aufgebaut sind. Dieser Begriff birgt eine Vielfalt von realen gesellschaftlichen Verhältnissen der Menschen in sich, die ständig aneinander geraten und sich ununterbrochen entwickeln. Die ökonomischen Kategorien drücken "Daseinsformen, Existenzbestimmungen, oft nur einzelne Seiten dieser bestimmten Gesellschaft" aus. (52) Die logische Einheit der ökonomischen Kategorien erklärt sich durch die reale Einheit dieser Gesellschaft, des eigentlichen Gegenstandes unserer Untersuchung . Anmerkungen (1) Es handelt sich bei diesem Text um die korrigierte stenographische Mitschrift eines Vortrags, der auf der Sitzung der Allgemeinen Wirtschaftssektion des Instituts für Ökonomie im Mai und Juni 1927 verlesen wurde. Die Redaktion von "Pod Znamenem Marksizma" (Unter dem Banner des Marxismus) bezeichnet ihn als "Diskussionsbeitrag". (1a) Er meint hier die Einleitung aus den "Grundrissen der Kritik der Politischen Ökonomie", die schon lange vor dem Haupttext veröffentlicht worden war. Im folgenden spricht Rubin häufiger von der "Kritik", es ist damit das Marxsche Werk "Zur Kritik der Politischen Ökonomie" von 1857 gemeint. (2) K. Marx. Das Kapital, Bd. l, in: Marx-Engels-Werke (MEW) Berlin 1956 ff.. Bd. 23. S. 94 f. (3) ebenda. S. 107 (4) vgl. ebenda, S. 393 (5) ebenda. S. 56 ff. (6) ebenda. S. 371 ff. (7) K. Marx, Das Kapital, l. Aufl. (1867). in: Marx-Engels-Studienausgabe. Frankfurt/M. 1966. Bd. 2. S. 238 (im folgenden zitiert als: Studienausgabe) (8) K. Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, in: MEW 13. S. 21 (9) K. Marx. Das Kapital. Bd. l. a.a.O.. S. 88 (10) Studienausgabe. S. 24o (11) K. Marx. Das Kapital, Bd. l, a.a.O.. S. 85 f. (12) ebenda. S. 86 (13) Der Wertsubstanz ist ein ganzer Absatz gewidmet, der mit den Worten beginnt: "Die Menschen beziehen also ihre Arbeitsprodukte nicht aufeinander als Werte, weil diese Sachen ihnen als bloß sachliche Hüllen gleichartig menschlicher Arbeit gelten" usw. (vgl. ebenda, S. 88). Der folgende Absatz ist der Wertgröße gewidmet, und ein weiterer der Wertform. (14) K. Marx. Zur Kritik der Politischen Ökonomie, a.a.O.. S. 42 (15) Siehe dazu 1.1. Rubin. Studien zur Marxschen Werttheorie, Frankfurt/M. 1973. Diese Ausgabe ist allerdings um die ersten Kapitel des russischen Originals gekürzt, in denen Rubin die Grundzüge der Arbeitswerttheorie und die objektiven Voraussetzungen des Warenfetischismus entwickelt. (16) K. Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie. a.a.O., S. 17(17) ebenda. S. 19 (18) ebenda, S. 21 (19) ebenda, S. 20 (20) ebenda (21) vgl. ebenda (22) K. Marx. Das Kapital, Bd. l. l. Aufl. (1867). Anhang zu Kapitel 1.1. Die Wertform, S. 771 (Neuausgabe: AOKI-SHOTEN. Tokio 1959)(23) Studienausgabe, S. 234 (24) K. Marx. Zur Kritik der Politischen Ökonomie, a.a.O., S. 20 (25) vgl. Marx/Engels, Die deutsche Ideologie, MEW 3, S. 47 f. (26) I. Daschkowski, Abstraktuy trud i ekonomitscheskije kategorü Marksa (Abstrakte Arbeit und ökonomische Kategorien bei Marx), in: Pod Znamenem Marksizma (Unter dem Banner des Marxismus), Heft 6, Moskau 1926 (27) K. Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, a.a.O.. S. 24 (28) ebenda, S. 42 (29) K. Marx. Das Kapital, Bd. l, a.a.O., S. 88 (30) Studienausgabe. S. 242 (31) vgl. K. Marx, Das Kapital. Bd. l, a.a.O., S. 32 (32) ebenda. S. 87 t. (33) K. Marx, Le Capital. livre l. Paris 1969 (edition Garnier-Flammarion), S. 70 (Übersetzung aus dem Französischen :d, dt. Herausgeber; im Original lautet die Stelle: "....et c'est l'echange seul qui opere cette Reduction en mettant en presence les uns des autres sur un pied d* egalite les produits des travaux les plus divers.") (34) K. Marx. Theorien über den Mehrwert, Bd. 3, MEW 26.3. S. 127 (35) ebenda, S. 4o5 (36) K. Marx. Zur Kritik der Politischen Ökonomie, a.a.O., S. 3TI (37) ebenda. S. 53 (38) ebenda. S. 68 (39) vgl. dazu: ebenda, S. 16 und ders.: Das Kapital. Bd. l, a.a.O., S, 50 (40) ebenda. S. 50 f. (41) vgl. ebenda S. 51 (42) K. Marx. Das Kapital, Bd. l. (russ.) Moskau 1923, S. 3 (Rückübersetzung aus der russischen Ausgabe) (43) K. Marx, Das Kapital, Bd. l, a.a.O., S. 51 (44) ebenda, S. 53 (45) ebenda, S. 76 (46) Studienausgabe, S. 235 (47) vgl. G. W. F. Hegel, Werke in zwanzig Bänden, Frankfurt/Main 1970. Bd. 8, S. 264 ff,, § 133 (48) Diese Stellen konnten in der deutschen Ausgabe der "Studien zur Marxschen Werttheorie", a.a.O.. nicht aufgefunden werden. Sie sind daher aus der russischen Ausgabe rückübersetzt (Anmerkung der Herausgeber). (49) K. Marx. Das Kapital, Bd. l, a.a.O.. S. 97 (50) Studienausgabe. S. 235 (51) vgl. F. Engels/K. Marx: "Zur Kritik der Politischen Ökonomie". MEW 13, S. 468 ff. (52) K. Marx, Einleitung zur Kritik der Politischen Ökonomie. MEW 13. S. 637. Editorische Anmerkungen |
Tuesday, 2 November 2010
I. I. Rubin, Abstrakte Arbeit und Wert im Marxschen System
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