Tuesday, 28 September 2010

Interview in Neues Deutschland (MEGA-website)

Was ist mit der MEGA?*

[Interview mit] Gerd Giesler. Der studierte Philosoph und Kunsthistoriker und promovierte Chemiker, Jahrgang 1940, ist seit 1991 Geschäftsführer des Akademie Verlages
# Der Akademie Verlag übernimmt die Herausgabe der Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA), die bisher im Karl Dietz Verlag Berlin erschienen ist. Wie kam es dazu?
Die Internationale Marx-Engels-Stiftung (IMES) in Amsterdam ist an uns mit der Bitte herangetreten, dieses große Projekt in Verantwortung zu nehmen. Die MEGA erhält jetzt Bundes- und Landesförderung. Da wuchs es sich schon zu einem Politikum aus, daß sie von einem Verlag herausgegeben wird, der einen bestimmten "Stallgeruch" hat und die Nähe zur PDS pflegt. Wünschenswert ist eine Entpolitisierung der MEGA. Wir sind ein ausgewiesener Wissenschaftsverlag, die MEGA ist bei uns gut aufgehoben.
# Was bedeutet die MEGA für Sie? Ein Prestigeobjekt, eine Jagdtrophäe?
Keineswegs. Die Werke von Marx und Engels bleiben Klassiker unter Klassikern. Insofern paßt die MEGA auch gut in unser Profil. Wir geben Aristoteles, Leibniz, Feuerbach, Heine und Forster heraus, um nur einige Geistesgrößen zu nennen. In diesem Umfeld machen sich Marx und Engels ganz gut.
# Im Hinblick auf die MEGA war der Dietz Verlag Berlin weltweit eine bekannte Adresse, Nun nimmt man diese dem ehemaligen DDR-Verlag einfach weg.
Von Wegnehmen ist keine Rede. Es hat sachliche Gespräche gegeben; konkrete Abmachungen sind getroffen. Außerdem schlüpft die MEGA wieder unters Dach eines ehemaligen DDR-Verlages.
# Der aber kein ostdeutscher, mehr ist, da er nun zum Münchener R.Oldenbourg Verlag gehört.
Richtig, aber welche Ex-DDR-Verlage sind denn noch in ostdeutscher Hand?
# Mit dem Besitzerwechsel des Akademie Verlages wurde auch dessen naturwissenschaftliche Palette ausgegliedert. Ist da die MEGA, in der auch naturwissenschaftliche Exzerpte veröffentlicht werden sollen, bei Ihnen wirklich gut aufgehoben? Oder werden die nun ausgeklammert?
Auf keinen Fall. Aber erstens ist Leibniz auch nicht ein reiner Geisteswissenschaftler gewesen, Und zweitens meine ich, daß die naturwissenschaftlichen Arbeiten von Marx heute nur noch unter wissenschaftshistorischen Gesichtspunkten interessant sind. Marx kann uns beispielsweise nichts sagen zur modernen Molekularphysik.
# Bleibt alles beim Alten oder ändern sich Ausstattung, Konzeption?
Nein. Nur das Einbandmaterial, was zu DDR-Zeiten verwendet wurde, ist nicht mehr vorrätig. Das Gesicht der MEGA bleibt erhalten. Und in die inhaltliche Konzeption mischt sich der Verlag sowieso nicht ein. Wir übernehmen die drucktechnische Seite, Werbung, Vertrieb und Lagerung.
# Wann erscheint der nächste Band?
Zum Jahreswechsel, nach fünfjähriger Vakanz; er enthält Marxens Exzerpte und Notizen von 1844/45.
# 47 Bände sind bereits erschienen; der Umfang der MEGA wurde zwar auf 122 Bände reduziert – es bleibt dennoch ein beeindruckendes Großprojekt, das jetzt Sie unter Ihren Fittichen haben. Darüber sind Sie sicher nicht unglücklich?
Im Gegenteil. Wir begrüßen das sehr. Die Planung für die nächsten 30 Jahre ist sicher. Wir freuen uns auch, zeitgleich mit dem ersten MEGA-Band bei uns den ersten Band der Gesammelten Schriften von Aby Warburg (1866–1929), Begründer der modernen Kulturwissenschaft, herauszubringen.
Fragen: Karlen Vesper
*Neues Deutschland vom 13. Oktober 1998.

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