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Zusammenfassungen
Nr. 1998/2
Jack Jacobs, "Friedrich Engels and 'the Jewish Question' Reconsidered", S. 3-23.In einem bahnbrechenden Artikel, der noch ein halbes Jahrhundert nach seinem Erscheinen viel zitiert wird, vertrat Edmund Silberner die Ansicht, daß Engels in den letzten Jahren seines Lebens zu einem "entschiedenen Gegner des Antisemitismus" geworden sei. Silberner übertreibt jedoch das Ausmaß, in dem sich Engels' Einstellung zu Juden änderte, und gibt für den Wandel, der tatsächlich festzustellen ist, eine Erklärung, die nicht überzeugt. Daß Engels "keine speziellen Beziehungen zu jüdischen Arbeitergruppierungen" gehabt habe, wie Silberner 1949 schrieb, ist unzutreffend. Engels wußte von jüdischen Arbeitergruppierungen auf drei Kontinenten und brachte jüdischen Sozialisten, mit denen er persönlich in Berührung kam, ein bemerkenswertes Wohlwollen entgegen. Der Wandel seiner Einstellung zu Juden ist in erster Linie auf die Entstehung von jüdischen sozialistischen Arbeiterorganisationen zurückzuführen.
Detlev Mares, "Die englischen Publikationsorgane der IAA. Zum Kontext der politischen Tätigkeit von Karl Marx", S. 24-48.
Nach Auffassung des Autors lassen sich anhand der Geschichte der englischen Presseorgane der IAA die Hauptgründe für das Scheitern der Vereinigung in England zeigen. Am Beispiel des Bee-Hive macht er deutlich, wie sowohl Marx als auch die englischen Gewerkschaftsführer, die dem Generalrat angehörten, die IAA für ihre eigenen Zwecke nutzten. Dadurch wurde es unmöglich, die IAA in England als eigenständige politische Kraft zu etablieren. Der Autor wendet sich sodann dem International Herald zu. Er zeigt, daß die 1871 gegründeten englischen Sektionen der IAA Teil einer breiten republikanischen und internationalistischen Bewegung waren. Indem sich Marx und der Generalrat auf den Kampf gegen Bakunin und die Konflikte im englischen Föderalrat konzentrierten, erstickten sie den Enthusiasmus der Sektionen.
Ole Stender-Petersen, "On the Dissemination of Marx's and Engels's Works and the Reception of Marxism in Denmark 1843-1895", S. 49-81.
Wie Stender-Petersen zeigt, fanden in den 1840er Jahren die Werke von Marx/Engels, insbesondere Engels' Lage, bei den Progressiven um die Tageszeitung Fædrelandet eine bemerkenswerte Resonanz. Auch Konservative griffen auf Engels' Kritik der für den aufstrebenden Kapitalismus kennzeichnenden sozialen Zustände zurück. 1848 brachten verschiedene Blätter Auszüge aus Marxschen Schriften. Gleichzeitig kamen die dänischen Radikalen über holsteinische Kommunisten mit den Radikalen anderer Länder in Kontakt. Aber die eigentliche Rezeption des Marxismus begann erst mit dem Aufkommen der Arbeiterbewegung. Die erste Nummer der Wochenzeitung Socialisten, die im Juli 1871 erschien, brachte Auszüge aus der Generalratsadresse über die Pariser Commune. Später wurden Übersetzungen einer Reihe von Werken von Marx/Engels, darunter das Manifest und die Bücher I und II des Kapital, veröffentlicht. Laut Stender-Petersen blieben in der Bewegung jedoch lassalleanische und "staatssozialistische" Tendenzen vorherrschend. Eine andere Auffassung vertritt Gerd Callesen in seiner "Concluding Note".
1998/1
Francois Melis, "Zur Gründungsgeschichte der Neuen Rheinischen Zeitung. Neue Dokumente und Fakten", S. 3-63.Der Beitrag wurde durch die Entdeckung von Dokumenten veranlaßt, die neues Licht auf die Gründung der Neuen Rheinischen Zeitung werfen. Erstmals wird auf die Aktionärsversammlungen um den 24. April bzw. am 26. Mai 1848 eingegangen. Es wird gezeigt, daß spätestens zwei Wochen nach der Gründungsversammlung am 12. April - und nicht erst Mitte Mai - bei Marx mit der Entscheidung für den Untertitel "Organ der Demokratie" eine radikale Neuorientierung einherging, in deren Ergebnis die "Forderungen der Kommunistischen Partei" als Programm der Zeitung preisgegeben wurden. Aus politischen und juristischen Gründen suchte Marx es in der Vorbereitungsphase zu vermeiden, daß er mit dem Zeitungsprojekt in Verbindung gebracht wurde. Bei dessen Zustandekommen spielte Heinrich Bürgers eine - in der Forschung bisher übersehene - zentrale Rolle. Als unhaltbar erweist sich die These, daß Andreas Gottschalk und Roland Daniels versucht hätten, Marx von dem Kölner Unternehmen fernzuhalten.
Harry Schmidtgall, "Friedrich Engels und Manchester. Teil II: Die Chartisten und das Fabriksystem, die Lage der Arbeiterklasse, Manchester und seine soziale Exploration", S. 64-87.
Außer Sozialisten wie John Watts (siehe MEGA-Studien, 1996/2) lernte Engels in Manchester auch den Führer der dortigen Chartisten John Leach und dessen Stubborn Facts from the Factories kennen. Von Leach erhielt er Informationen über Arbeits- und Lebensumstände der Arbeiter, die er in der Lage der arbeitenden Klasse theoretisch verarbeitete. In Wendungen wie "Sklaverei" der Arbeiter, "Tyrannei der Besitzenden" etc. klingt die chartistische Tradition des "Norman Yoke" an. Durch die Bestimmung lagebedingter, klassenspezifischer anthropologischer Qualitäten wird die Nationalcharakterlehre von Moses Heß überwunden und eine historisch-materialistische Anthropologie vorbereitet. Engels kann die Entwicklung des modernen Proletariats am Beispiel von Manchester als Prototyp der kapitalistischen Industriestadt illustrieren. Ähnlich wie Lyon Playfair, der etwa zur gleichen Zeit im Auftrag der Behörden die Wohnverhältnisse in Manchester untersuchte, gewinnt er sein Anschauungsmaterial als "social explorer".
Olaf Briese, "Philosophiegeschichte - Ideologiegeschichte - Feldgeschichte. Engels' Streitschriften gegen Schelling im Kontext", S. 88-108.
Es war bisher ungeklärt, warum gerade der junge, auf philosophischem Gebiet noch nicht hervorgetretene Friedrich Engels es war, der Friedrich Wilhelm Joseph Schelling bei dessen Berliner Vorlesungen 1841/42 so vehement attackierte. Die Althegelianer schwiegen abwartend oder suchten Kompromisse mit Schelling; auch die verschiedenen Fraktionen der Junghegelianer erwogen Zweckbündnisse mit ihm. Zur Erklärung von Engels' Position wird das komplizierte Konkurrenzgefüge vom Herbst 1841 dargestellt. Mit Rückgriff auf Pierre Bourdieus Theorie "intellektueller Felder" wird gezeigt, daß gerade ein Neuling und Außenseiter wie Engels, der auf keinerlei Schulen und Gruppen Rücksicht zu nehmen brauchte, Schelling so schonungslos kritisieren konnte.
1996/2:
Michael Knieriem, "Die Auseinandersetzung des jungen Engels mit der religiösen Tradition", S. 5-15.Entgegen der gängigen Auffassung, daß Engels' Elternhaus pietistisch geprägt gewesen sei, wird gezeigt, daß für dasselbe eine im Wuppertal damals übliche reformierte evangelische Grundeinstellung bestimmend war, von der sich Engels bis 1842 emanzipierte. Was Engels' frühe kommunistische Einstellung betrifft, wird erstmals auf den möglichen Einfluß des Predigers Ignaz Lindl (1774-1845) hingewiesen, eines evangelischen Geistlichen, der nach bewegter Vergangenheit, zu der auch die Gründung einer religiös motivierten Gütergemeinschaft in Südrußland gehörte, seinen Lebensabend in dem den Engels gehörenden Barmer Bruch verbrachte.
Harry Schmidtgall, "Friedrich Engels und Manchester", S. 16-39.
Der historische Materialismus wird oft unmittelbar aus den von Engels in den 1840er Jahren in Manchester vorgefundenen sozio-ökonomischen Verhältnissen abgeleitet. Die daran anknüpfenden Theorien konnten sich jedoch an sehr verschiedenen Zielen orientieren. Für Engels war neben dem Linkshegelianismus vornehmlich die triarchische Theorie von Moses Heß bedeutsam. Beeinflußt namentlich von Saint-Simons De la réorganisation de la société européene (1814), visierte Heß - als Ergebnis der sozialen Revolution in England - eine politische und soziale Neuordnung Europas auf der Basis eines ethisch gefärbten Kommunismus an. Hatte Engels England 1838 noch aus einer ästhetisch-literarischen Perspektive gesehen, widmete er sich während seines Manchesteraufenthaltes 1842-1844 dem Studium politischer, ökonomischer und sozialer Probleme. Dabei kam er in Kontakt mit englischen Sozialisten, u.a. John Watts, von dem er den Ansatz seiner Kritik der politischen Ökonomie übernahm. Das von beiden im Zusammenhang mit der Kritik an Malthus skizzierte Konzept von Wissenschaft als Produktivkraft war die Basis, auf der es wohl auch zu Kontakten mit dem Liebig-Schüler Lyon Playfair kam.
Anneliese Griese, "Friedrich Engels und die Naturwissenschaften", S. 40-53.
Schon der junge Engels wendet sich - unabhängig von Marx - den Naturwissenschaften zu. Wesentliche Impulse empfängt er in dieser Zeit von Feuerbach, der französischen Aufklärung und den englischen und französischen Sozialisten. Bei seinem Bemühen um die Begründung des Zusammenhangs von Naturwissenschaft und Dialektik nach 1870 orientiert er sich fast ausschließlich an Hegel. Mit seinen naturwissenschaftlichen Studien ist Engels in den widersprüchlichen Erkenntnisprozeß des 19. Jahrhunderts eingebunden. Er bemüht sich, sowohl die philosophischen Voraussetzungen der sog. klassischen Naturwissenschaft als auch den sich bereits ankündigenden Paradigmenwechsel zu begreifen und in einen allgemeineren wissenschaftsgeschichtlichen Kontext zu stellen.
Marie-Claire Hoock-Demarle, "Frauen und Frauenemanzipation in Engels' Briefen", S. 54-65.
Die soziale Rolle der Frau und ihre Emanzipation stehen nicht im Mittelpunkt von Engels' Werk oder auch nur seines Interesses. Aber an den Aktivitäten von Marx' Töchtern teilnehmend, ergriff er in der Kontroverse, die besonders die deutsche Frauenbewegung spaltete, für die "proletarischen Frauen" Partei. Zugleich päzisierte er im Ursprung der Familie seine eigene Konzeption der Frauenemanzipation. Er verlegte diese in den allgemeinen Rahmen der Aufhebung der modernen Formen der Sklaverei, des Privateigentums und des Staates. Anders als Bebel, dessen Frau er kritisierte, nahm er von den "bürgerlichen" politischen und rechtlichen Frauenforderungen kaum Notiz. Er plädierte nicht für die Emanzipation der Frauen, sondern für die Befreiung aller Ausgebeuteten, wobei es für ihn nur um die - doppelt ausgebeuteten - proletarischen Frauen ging.
Markus Bürgi, "Friedrich Engels und die Zweite Internationale", S. 66-78.
Obwohl Engels der "Neuen" Internationale zunächst skeptisch gegenüberstand, prägte er sie seit ihrer Entstehung. Er spielte bei der Vorbereitung aller Kongresse von 1889 bis 1893 eine entscheidende Rolle im Hintergrund. Gemäß seiner revolutionären Strategie und seiner Konzeption einer neuen Internationale suchte er mit Ratschlägen an die marxistischen Parteien in Frankreich und Deutschland sowie mit taktischen Manövern und "sozialistischer Diplomatie" Aufbau und Ausrichtung derselben zu bestimmen, auf diese Weise die Internationale auf marxistische Grundlagen zu stellen und zugleich seine Vorstellungen gegen konkurrierende Konzeptionen, etwa der Possibilisten, durchzusetzen.
Terrell Carver, "'Marx-Engels' or 'Engels v. Marx'?", S. 79-85.
Ich untersuche die "Marx-Engels"-Frage als Beispiel von Interpretationproblemen, bei denen es um - alleinige oder gemeinsame - Autorschaft geht. Es ist weder eine allumfassende "Partnerschaft" beider noch eine durchgängige "Dichtomie" anzunehmen. Die chronologische Darbietung der Texte in der MEGA2 ermöglicht es, darin sowohl Dialog und Unterschied als auch Übereinstimmung zu erkennen. So kommen wir zu weit interessanteren Interpretationen, als uns auf Grund früherer Protokolle möglich war. Ich skizziere zehn interpretatorische "Bewegungen", die es zu vermeiden gilt, und plädiere für einen wissenschaftlichen Skeptizismus, der nicht voraussetzt, was noch zu beweisen ist. Marx und Engels sind als handelnde Personen in einer Umgebung zu betrachten, nicht als Intellektuelle, die denken, um doktrinäre Texte zu produzieren. Kommentatoren sollten sich auf einen interdisziplinären Dialog einlassen, eine neue Leserschaft generieren.
Carl-Erich Vollgraf, "Kontroversen zum dritten Buch des Kapital: Folgen von und Herausforderungen für Edition", S. 86-108.
Die Kontroversen um das Kapital wurden u.a. durch Engels' Ausgabe des dritten Buches begünstigt, die einen fortgeschrittenen Stand der Ausarbeitung suggerierte. Spätere Volks- und Werkausgaben schlossen sich dogmatisch Engels' Ausgabe von 1894 an. Mit der Veröffentlichung von Marx' Entwurf zum dritten Buch (MEGA2, Bd. II/4.2) ist sowohl eine Analyse von Marx' tatsächlichem Forschungsstand als auch ein fundiertes Urteil über Engels' Herausgebertätigkeit möglich geworden. Anhand von Beispielen wird illustriert, wie Engels' Wissenschaftsverständnis und politische Einbindung seine Redaktion von Marx-Texten beeinflußten. Es werden drei Faktoren herausgegriffen, deren Wirkung nachgegangen wird: die ungenügende Kenntnis des konkreten Bearbeitungsstandes des Kapital, Engels' Unterscheidung zwischen "reiner Theorie" und "praktischen" sowie seine Überhöhung der Bedeutung des ersten Buches.
1996/1:
Jürgen Rojahn, "Aus der Frühzeit der Marx-Engels-Forschung: Rjazanovs Studien in den Jahren 1907-1917 im Licht seiner Briefwechsel im IISG", S. 3-65.Leben und Werk von David Borisovich Rjazanov (Gol'dendach) wurden erst in jüngster Zeit Gegenstand historischer Forschung, wobei das Interesse vorzugsweise der Zeit ab 1917 galt. Sein Lebensweg bis 1917 war bisher nur in Umrissen bekannt. Ein großer - wenn nicht der größte - Teil der Quellen für diese Zeit befindet sich nicht in Moskau, sondern im IISG in Amsterdam. Besonders wichtig ist Rjazanovs umfangreicher Briefwechsel mit Karl und Luise Kautsky. Im ersten Teil des Artikels wird ein Überblick über die Rjazanov-Dokumente im IISG gegeben, im zweiten Teil ein Überblick über Rjazanovs Studien in den Jahren 1907-1917, in denen er sich der Marx-Engels-Forschung zuwandte. Sein neues Arbeitsfeld war damals ein noch kaum erschlossenes Terrain. Ein ebenso energischer wie impulsiver Forscher, machte er es sich in kurzer Zeit zueigen. Dieser Prozeß läßt sich anhand der Briefwechsel im IISG gut rekonstruieren. Der dabei möglicherweise entstehende Eindruck, als habe er sich, gleichzeitig an mehreren - sich ständig ändernden - Projekten arbeitend und immer neuen Spuren folgend, fortschreitend verzettelt, trügt. Denn aus besagten Briefwechseln ergibt sich auch, daß er schon damals fest das Endziel einer Marx-Engels-Gesamtausgabe anvisierte.
Wolfgang Meiser, "Das Manifest der Kommunistischen Partei vom Februar 1848: Zur Entstehung und Überlieferung der ersten Ausgaben", S. 66-107.
In der vorliegenden Studie wird die Entstehung und Überlieferung jener beiden Manifest-Ausgaben rekonstruiert, die - ihrem Impressum folgend - jahrzehntelang als Londoner Erst- bzw. Neudruck aus dem Jahre 1848 galten und deren Erscheinen zwischenzeitlich sogar in umgekehrter Folge dargestellt wurde. Aus den bekannten Fakten und Indizien wird gefolgert, daß die 23seitige Ausgabe zwar der Erstdruck war, der auch tatsächlich vor der Februarrevolution 1848 erschien, dann aber bis Juni d.J. noch mehrere Teil- bzw. Titelauflagen erlebte und daß schließlich im Sommer 1850 eine weitere - entgegen bisherigen Annahmen aber in der Office der Deutschen Londoner Zeitung - gedruckt wurde. Des weiteren wird nachgewiesen, daß die 30seitige Ausgabe weder 1848 noch in London gedruckt wurde, sondern vielmehr erst auf Beschluß der Kölner Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten und mit dem ausdrücklichen Einverständnis von Marx um die Jahreswende 1850/51 von J. Creteux in H. Beckers Druckerei in Köln unter Verwendung des Impressums des Londoner Erstdruckes. Damit konnte zugleich der bislang fehlende bibliographische Nachweis für die erste in Deutschland erschienene Manifest-Ausgabe erbracht werden.
1995/2:
Rolf Hecker, "Die Verhandlungen über den Marx-Engels-Nachlaß 1935/36. Bisher unbekannte Dokumente aus den Moskauer Archiven", S. 3-25.Auf der Grundlage der jetzt zugänglichen Moskauer Akten werden erstmals die Hintergründe der in den Jahren 1935/36 unternommenen Versuche des Moskauer Marx-Engels-Lenin-Instituts, den sich damals in den Händen des Exilvorstands der deutschen Sozialdemokratie (SOPADE) befindlichen Marx-Engels-Nachlaß zu erwerben, dargestellt. Die Verhandlungen wurden russischerseits auf Weisung und unter Kontrolle des inneren Führungskreises um Stalin geführt. Die hier erstmals publizierten Auszüge aus Berichten und Briefen der russischen Beauftragten (Adoratskij, Arozev, Hirschfeld, Tichomirnov) ergänzen bzw. korrigieren die ausschließlich auf westlichen Quellen basierenden Darstellungen Paul Mayers und Maria Huninks.
Annette Vogt, "Emil Julius Gumbel (1891-1966): der erste Herausgeber der mathematischen Manuskripte von Karl Marx", S. 26-41.
In dem Artikel werden Arbeiten und Pläne im Zusammenhang mit der schon von D.B. Rjazanov beabsichtigten Herausgabe der Mathematischen Manuskripte von Marx bis zur Veröffentlichung 1968 dargestellt. Auf Grund ihrer Forschungen zu Leben und Werk des Mathematikers Emil Julius Gumbel sowie von ihr im RC in Moskau gefundener Dokumente konnte die Autorin nachweisen, daß erstens die Priorität bei der Vorbereitung der Manuskripte zum Druck eindeutig Gumbel gebührt und daß zweitens diese Arbeit von Gumbel im Herbst 1926 abgeschlossen war und die Druckfahnen ihm bereits 1927 vorlagen. In der Ausgabe von 1968 wurde Gumbel nicht einmal erwähnt.
Akira Miyakawa, "Eine Wiederaufnahme der Testamentsvollstreckung durch die MEGA? Neuere Tendenzen in japanischen Studien zum zweiten Buch des Kapital", S. 42-53.
Das Buch II des Kapital wurde nach Marx' Tod von Engels herausgegeben. Engels bemühte sich einerseits um Quellentreue, andererseits um die Verarbeitung der Manuskripte zu einem geschlossenen Werk. Die Verbindung der beiden widerstreitenden Prinzipien führte zu Kompromissen, die Marx' Erkenntnisstand nicht voll reproduzierten. Die MEGA wird durch den Abdruck aller Manuskripte in chronologischer Folge die Forschungen über das Buch II auf eine völlig neue Basis stellen. Schon die Veröffentlichung der Manuskripte in den Sochineniya (Bd. 49, 50) und ihre Übersetzung ins Japanische hat in der japanischen Forschung zu neuen Erkenntnissen hinsichtlich der Genese der Marxschen Reproduktionstheorie geführt. Auf einige davon wird näher eingegangen.
1995/1:
Renate Merkel-Melis, "Engels' Mitarbeit an Hermann Schlüters Broschüre Die Chartistenbewegung in England", S. 5-32.Das handschriftliche Manuskript von Schlüters Broschüre Die Chartistenbewegung in England, das sich in der Hoover Institution on War, Revolution and Peace in Stanford/Cal. befindet, enthält nach Umfang und Inhalt bisher unbekannte Korrekturen, Ergänzungen und Bemerkungen von Engels. Die 91 nachweisbaren Eingriffe (weitere sind zu vermuten) führten zu teilweise umfangreichen, sich auf die Höhepunkte der Bewegung (1839, 1841/42, 1848) konzentrierenden Textänderungen. Sie resultieren in einer umfassenderen und differenzierteren Betrachtung und vermitteln, was Engels' Einschätzung der Chartistenführer 1848/49 und gewisse Aspekte der Gewerkschaftsentwicklung betrifft, neue Erkenntnisse. Nach einer kurzen Darstellung der Entstehung der Broschüre wird Engels' Beschäftigung mit ihr behandelt. Die Broschüre selbst wird - samt Nachweis der Engels'schen Eingriffe - im Anhang des Bandes I/31 der MEGA2 publiziert.
Anneliese Griese, Gerd Pawelzig, "Friedrich Engels' 'Dialektik der Natur': eine vergleichende Studie zur Editionsgeschichte", S. 33-60.
Im Mittelpunkt der Studie stehen die erste Edition der 'Dialektik der Natur' durch David B. Rjazanov, die Veröffentlichung dieser Schrift in einem Sonderband der MEGA1 zum 40. Todestag von Engels, die russische Ausgabe von 1941 und der Band I/26 der MEGA2. Die genannten Editionen werden in bezug auf die Textdarbietung und -anordnung, die Datierung der einzelnen Textstücke und deren wissenschaftshistorische Kommentierung sowie die Einordnung der Texte in das weitere Umfeld verglichen. Dabei zeigt sich, inwiefern die Bemühungen um die Pflege des literarischen Nachlasses von Karl Marx und Friedrich Engels jeweils in geistig-kulturelle und politische Entwicklungen eingebettet waren.
François Melis, "Engels' Wanderung durch Frankreich und die Schweiz im Herbst 1848. Neue Erkenntnisse und Hypothesen", S. 61-92.
Anhand der im IISG (Amsterdam) bewahrten Engels'schen Reisebeschreibung mit sechs kartographischen Skizzen wird Engels' Wanderung durch Frankreich und die Schweiz im Herbst 1848 rekonstruiert. Widersprüchliche Aussagen in der wissenschaftlichen Literatur sowie Irrtümer von Engels werden kritisch analysiert, Datierung und Empfangsort eines im Band III/2 der MEGA2 veröffentlichten Briefes von Marx an Engels werden neu bestimmt. Die geographischen Angaben zu der Route werden neu entziffert, mit Hilfe zeitgenössischer Karten präzisiert und in Tabellen sowie vier kartographischen Abbildungen dargestellt. Die Untersuchung ist eine Vorarbeit für die Bände I/7-9 der MEGA2 (Arbeiten aus den Jahren 1848/49).